Der Europavergleich zum Deutschen Diversity Tag 2017

Kommunizieren deutsche Konzerne Diversity mehr oder weniger als ihre europäischen Wettbewerber? Oder einfach anders? Eine vergleichende Analyse, die seit 2007 bereits zum fünften Mal durchgeführt wurde, zeigt: Deutsche Großunternehmen platzieren Diversity deutlicher im Kontext sozialer Verantwortung als dies in Europa üblich ist. Zudem sind die Themen Frauenförderung und Work/Life-Balance deutlich überrepräsentiert. „Eine unglückliche Kombination“, meinen Experten.

Diversity-Kommunikation bleibt europäisches Mittelmaß und in der Komfortzone – nur im CSR Kontext führend

  • Weiterhin unteres Mittelmaß: Deutsche Konzerne präsentieren Diversity nur zaghaft in ihren Geschäftsberichten
  • Deutsches Diversity Management in der Komfortzone: Weiterhin Fokus auf Frauenförderung, Work/Life-Balance und Aktionen wie z. B. Events
  • Deutschland europaweit führend in der CSR Berichterstattung zu Diversity – quantitativ und qualitativ

Diversity: Ein fester (manchmal sparsamer) Bestandteil der Geschäftsberichte

Seit 3 Jahren ist Diversity als Teil der aktienrechtlich vorgeschriebenen Geschäftsberichte fest etabliert. 73 der 75 europäischen Top-Konzerne in den STOXX® Europe50 und Euro STOXX® 50 Indices – und alle 14 deutschen Blue Chips – erwähnen ihre Ansätze zur Nutzung von Vielfalt in der Investoren-Kommunikation. Allerdings geben die Deutschen dem Thema weniger Raum als ihre europäischen Wettbewerber: Im Durchschnitt eine Seite, während der Gesamtschnitt bei 1,4 Seiten liegt. Die verwendeten Begriffe ähneln sich quer durch Europa: Rund die Hälfte aller Unternehmen (auch der deutschen) kombinieren „Diversity“ mit einem weiteren Paradigma – viele von ihnen mit „Inclusion“.

Diversity wird immer ganzheitlicher – Deutschland liegt etwas zurück  

Deutsche Konzerne erwähnen jedoch eine Dimension weniger als dies europaweit üblich ist. Dabei steht Gender – bzw. Frauen in Führungspositionen – weiterhin deutlich auf Platz 1. Deutsche Firmen betonen zusätzlich ethnisch-kulturelle Vielfalt und Work/Life-Balance während die Konzerne anderer Länder Behinderung und Internationalität als weitere Prioritäten erwähnen. Alter liegt im Mittelfeld, Religion und LGBT bleiben Randthemen.

Die Frauenquote wird langsam durch weitere Themen ausgeglichen

Entsprechend berichten die meisten Konzerne (knapp 80%) ihre Frauenanteile für die obersten Entscheidungsebenen und viele auch für die Führungsebenen (diesen Aspekt verfolgen deutsche Konzerne häufiger als der europäische Schnitt) oder die Belegschaft. Hier zeigt sich ein Trend (bei rund 30% der Firmen), weitere Aspekte in das Reporting über Beschäftigungsverhältnisse aufzunehmen.

Meist Absichtserklärungen und verstärkt Informationen zu konkreten Aktivitäten

Europaweit dominiert (bei dreiviertel der Konzerne, auch der deutschen) die Erklärung bester Absichten in Bezug auf Vielfalt und Chancengleichheit, während nur 30% erzielte Erfolge, Fortschritte oder Ergebnisse beschreiben. Immerhin enthält die Hälfte aller europäischen Berichte – und dreiviertel der deutschen – konkrete Informationen zu Diversity Aktivitäten. Die größte Gruppe der (zwanzig) französischen Konzerne zeigt sich dabei außerordentlich auskunftsfreudig (durchschnittlich 7,3 Maßnahmen pro Firma) und hebt den Schnitt. Die deutschen liegen mit 3,8 erwähnten Programmen pro Firma auf dem zweiten Rang.

„Unglückliche Kombination von Themen und Tools“  

Auffällig erscheint dabei, dass die deutschen Berichte einen erkennbaren Schwerpunkt auf „Frauen in Führungspositionen“ legen sowie auf Work/Life-Themen Homeoffice, Teilzeit und Kinderbetreuung. Insgesamt beschreiben deutsche Konzerne seltener Weiterbildungsinstrumente, dafür häufiger Events. Bei themenspezifischen Maßnahmen sowie Karriereprogrammen liegen sie im europäischen Durchschnitt. Die Kombination der Themen Frauen und Work/Life Balance mit dem Schwerpunkt Events nennt Studienleiter Michael Stuber „unglücklich“ – er macht seit zwanzig Jahren die Erfahrung, dass eine breite Themenwahl den Abbau von Stereotypen fördert und die prozessorientierte Arbeit Veränderungen begünstigt.

Deutschland: Mehr Diversity Kommunikation im Kontext sozialer Verantwortung

Deutsche Konzerne kommunizieren Diversity ausführlich im Rahmen ihrer Berichterstattung zur sozialen Verantwortung bzw. Nachhaltigkeit. Mit einem Durchschnitt von 4,2 Seiten pro Bericht liegen sie an der europäischen Spitze. Die Position verdanken sie vor allem den 8 kommunikationsstarken Konzernen, die mehr als zwei Seiten über ihre Diversity-Programme schreiben. Dabei nennen sie ihre Konzepte häufiger einfach nur „Diversity“ als dies europaweit üblich ist. Anders als in den Geschäftsberichten zeigen deutsche Firmen in den CSR-Berichten ein breiteres Verständnis für Diversity als der europäische Durchschnitt – mehr als die Hälfte der Berichte benennt sieben oder mehr Dimensionen. Die Kommunikation von Daten, Grundsätzen und Erfolgen gleicht sich europaweit und ähnelt dem Muster in den Geschäftsberichten. Beim Kriterium Kommunikationsintensität schafft es Deutschland in den CSR Berichten sogar auf Platz 1: Zehn Berichte enthalten 74 Praxisbeispiele, das ist im Durchschnitt eines mehr pro Unternehmen als im Europamittel. Allerdings verfolgen die deutschen Konzerne auch hier einen merklichen Schwerpunkt auf themen-spezifischen Programmen (für Frauen, Eltern, LGBT, Generationen) während ganzheitliche Instrumente, die z. B. Führungsqualität, Unconscious Bias oder Unternehmenskultur im Fokus haben, seltener genannt werden.

Langzeit Trend: Deutschland leicht unter dem europäischen Durchschnitt

Über die Jahre zeigen die Studienergebnisse einen Trend: Seit 2007 liegt die deutsche Diversity Berichterstattung in den Annual Reports unter dem europäischen Durchschnitt, während sie sich im CSR-Bereich überdurchschnittlich präsentiert. Die Grundaussage dahinter: Diversity wird facettenreich als wichtiger Aspekt im Unternehmen anerkannt, entfaltet jedoch nicht seinen vollständigen Nutzen im Kerngeschäft. Diese Mehrwerte werden nicht nur durch Studien belegt, Unternehmen verfügen bereits über 20 Jahre Erfahrung mit Diversity Management – und dies sollte eine Implementierung nahe am Business ermöglichen.

Über die Studie

Systematische Inhaltsanalyse aller Geschäftsberichte und – soweit vorhanden – der Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Berichte für das Geschäftsjahr 2015 der Konzerne, die in den Aktienindizes STOXX ® Europe 50 und Euro STOXX® 50 per 30. Juni 2016 gelistet waren. Die beiden Indizes enthielten insgesamt 75 Konzerne, davon 14 deutsche (die drittgrößte Ländergruppe nach Frankreich (20) und Großbritannien (18)). Die Studie wurde 2007 erstmals – damals für die DAX ® 30 – durchgeführt. Seit 2008 erfolgt die Auswertung alle zwei Jahre für die europäischen Blue Chips.

Pressekontakt

 

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