Über den Erfolg von Frauen an der Spitze

Welche Kriterien gelten für die Ernennung von Frauen zu CFOs oder CEOs, verändern sie den Geschäftserfolg und wie werden sie als Führungskräfte wahrgenommen? Neue Erkenntnisse und Anregungen.

Die Finanzexperten von S&P Global Market Intelligence Quantamental Research haben eine der nach Umfang und Zeitspanne umfassendsten Gender-Diversity-Studien veröffentlicht. Sie liefert neue Erkenntnisse zu den Kriterien, die bei der Ernennung von weiblichen und männlichen CFOs bzw. CEOs angewendet werden. Eine detaillierte Datenanalyse zeigt, in welchen Bereichen der Geschäftserfolg nach den Ernennungen weiblicher CFOs oder CEOs die früheren Ergebnisse oder den Benchmark übertroffen haben. Untersucht wurden 5.247 männliche und 578 weibliche Vorstandsberufungen in 6.000 Unternehmen über einen Zeitraum von 17 Jahren.

Gleiche Stärken führen Männer und Frauen zum Erfolg – aber für Frauen liegt die Messlatte höher

Anstatt die Talentpools, aus denen die Ernennungen hervorgingen nach Gender zu analysieren (und damit vermutete Ungleichheiten zu quantifizieren) haben die Forscher die auffälligen Ernennungsverhältnisse von 16:1 für CEOs und 6,7:1 für CFOs durch eine Analyse der Profile der neuen Vorstände hinterfragt. Eine NLP-Analyse verglich Leistungen, Bildung und mit Erfolg verbundene persönliche Eigenschaften (anhand von Wörtern wie Produktivität, Technologie oder Führung) in den Biographien der neu ernannten Top-Manager. Es zeigte sich, dass die durchschnittlichen Eigenschaften weiblicher Führungskräfte eine hohe Ähnlichkeit mit denen der erfolgreichsten männlichen Führungskräften aufwies, während sie deutlich weniger Gemeinsamkeiten mit weniger erfolgreichen männlichen Führungskräften hatten. Dem Bericht zufolge sagt eine „deutliche Korrelation“ aus, dass

  • der allgemein verbreitete Glaube an weibliche Alibi-Vorstände widerlegt wird,
  • stattdessen weibliche Führungskräfte höhere Kriterien erfüllen müssen als männliche,
  • diese höheren Standards mitverantwortlich für bessere Ergebnisse von Frauen sein dürften (siehe unten) und
  • die gleichen Stärken zum Erfolg männlicher und weiblicher Vorstände führen.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass der männliche Talentpool „relativ überfischt“ zu sein scheint und dass Diskrepanzen (einschließlich der Tatsache, dass derzeit Männer ernannt werden, die weniger qualifiziert sind als Frauen) verschwinden sollten, wenn beide Pools gleichermaßen genutzt werden. Dies bestätigt, was D&I-Experten gebetsmühlenhaft wiederholen: Diverse Talentpools werden nicht ausgeschöpft – selbst wenn man bedenkt, dass sich die Vielfaltsverteilung nicht in allen Bereichen gleichermaßen fortsetzt.

Unterschiedliche Gender-Effekte für neu ernannte CEOs und CFOs

Im Gegensatz zu anderen, eher statischen Analysen untersuchte die neue S&P-Studie die finanziellen KPIs 24 Monaten nach den jeweiligen Ernennungen. Im Vergleich zur Zeit vor Amtsantritt zeigte sich:

  • weibliche CEOs erzielten einen Steigerung der Aktienkursdynamik um 20% und
  • weibliche CFOs verzeichneten eine Steigerung der Rentabilität um 6% und eine um 8% höhere Aktienrendite.

Laut Studie sind diese Ergebnisse wirtschaftlich und statistisch signifikant. Der Bericht zeigt auch, dass

  • Unternehmen mit weiblichen CEOs und CFOs eine im Marktvergleich überdurchschnittliche Aktienkursentwicklung erzielten und
  • Unternehmen mit höherer Geschlechtervielfalt im Vorstand einen um 1,7% höheren Bruttogewinn im Verhältnis zu ihrem Vermögen erzielten (als Unternehmen mit geringer Geschlechtervielfalt).

Die Studie unterteilte die Unternehmen zu dem Messzeitpunkt in hohe (mind. 19% Frauen) und niedrige (bis 4%) Geschlechtervielfalt im Vorstand, fokussierte jedoch nicht auf Teilhabefragen, sondern auf die Leistungsstandards der Ernennung und die anschließende mittelfristige finanzielle Performance.

Vor dem Hintergrund dieses weiteren betriebswirtschaftlichen Belegs für Diversity stellt sich die Frage, warum Unternehmen verfügbare Ressourcen nicht automatisch ausschöpfen. Während „Bias“ die aktuelle Universalantwort darstellt, findet eine weitere neue Studie andere Antworten.

Negative Reaktionen auf Kritik von weiblichen Vorgesetzten

In einem Experiment wurden 2.700 Beschäftigte online rekrutiert, um Belege zu transkribieren. Fiktive virtuelle Manager erhielten zufällig ausgewählte männliche oder weibliche Namen und gaben während des Prozesses Leistungsfeedback. Nach Abschluss der Arbeiten wurden verschiedene Aspekte der Arbeitszufriedenheit gemessen. Das Ergebnis war, dass sowohl Frauen als auch Männer negativer auf Kritik reagierten, wenn sie von einer Chefin kam. Die Kritik einer Frau führte zu einem stärkeren Rückgang der Arbeitszufriedenheit als bei einem Mann. Auch waren die „Mitarbeiter“ doppelt so desinteressiert, weiterhin für das Unternehmen zu arbeiten, wenn sie von einer Chefin kritisiert worden waren. Während die meisten Ergebnisse für beide Geschlechter ähnlich waren, neigten Männer dazu, die Relevanz der Kritik einer Chefin in Frage zu stellen („weniger genau“). Weibliche Probanden zeigten in dieser Hinsicht keine Abweichungen.

Die Forscher leiten Konsequenzen für den Erfolg von Frauen im Management ab. „Wenn die Verwendung von Feedback für Frauen in Machtpositionen eher nach hinten losgeht, können sie weniger effektive Managementstrategien verfolgen oder sich insgesamt weniger für Führungspositionen interessieren“, schreibt der Autor Martin Abel von der Middlehurst University. Er überprüfte auch, ob Frauen als Vorgesetzte vielleicht weniger beachtet wurden, aber die Beschäftigten verbrachten tatsächlich etwas mehr Zeit damit, das Feedback weiblicher Führungskräfte zu lesen und zu verarbeiten. Auch fand das Experiment keine Korrelation vorhandener Gender-Biases mit negativeren Reaktionen auf Kritik von Frauen. Auch war die Reaktion bei Menschen, die zuvor positive Erfahrungen mit weiblichen Vorgesetzten gemacht hatten, die gleiche.

Rollenerwartungen: wie D&I auf das zugrunde liegende Muster reagieren sollte

Was die (Nicht-)Ernennung weiblicher Führungskräfte und die negativen Reaktionen auf die Kritik einer Chefin verbindet, sind Rollenerwartungen. Die Führungsrolle, vor allem im Vorstand, scheint ‚naturgemäß‘ einem Mann zuzukommen. Dazu gehört die „harte Seite“ des Feedback-Gebens ebenso wie die Tatsache, dass man die Zahlen im Griff hat oder – die ultimative Führungsaufgabe – andere Manager führt. Die Studien, die den Schein Descriptive Index nutzen, haben dieses Think-Manager-Think-Male Phänomen über Kulturen, Ebenen und drei Jahrzehnte hinweg bestätigt. Andere Untersuchungen zeigen, dass von weiblichen Managern eher Lob, von männlichen Kritik erwartet wird.

Insofern sind bei Rollenerwartungen durchaus Biases im Spiel, wenn auch nicht die simplistischen Wahrnehmungsverzerrungen. Für D&I bedeutet dies u.a. folgende Schlussfolgerungen:

  • Wir müssen die verschiedenen Arten von Bias genau verstehen, wo und wie sie wirken, und wie ihre Auswirkungen gemildert werden können
  • Wir müssenAktivitäten und Kommunikation vermeiden, die Rollenerwartungen stärken, z.B.
  • in der Diskussion um Frauen in Führungspositionen flexible Arbeitsbedingungen als Lösung vorzuschlagen,
  • unterschiedliche Aspekte bei der Beförderung von Männern oder Frauen hervorzuheben,
  • die besonderen, anders gelagerten Stärken, die Frauen in eine Führungskultur einbringen zu betonen.

Haben Sie sich an manchen Stellen wiedererkannt? In diesem Fall sind wir wohl ein interessanter Sparringspartner für Ihre Arbeit.

 

Quellen

https://www.spglobal.com/marketintelligence/en/news-insights/blog/changepays-although-still-underrepresented-women-in-the-c-suite-are-driving-profitability

Do Workers Discriminate against Female Bosses? By Martin Abel, September 2019