Das Fußball-Matriarchat

Deutschland im Siegestaumel: Am Brandenburger Tor, auf der Reeperbahn und dem Marienplatz liegen sich wildfremde Menschen in den transpirierenden Armen – überströmt von Freudentränen. Ganz Deutschland feiert den Gewinn der Fussballweltmeisterschaft. Ganz Deutschland? Nein, nur ein Gruppe echter Fans, die ganz fest daran glauben, Frauenfußball habe den gleichen Wert wie die Männervariante. Kicker-Präsident Zwanziger gibt den Gönner und die Journaille titelt brav. Dennoch – die bundesweiten Autocorsos blieben aus, genauso wie die nächtelangen Parties der Millionen Fußballfans. Natürlich stimmt uns der Endspiel-Sieg der deutschen Damen über die brasilianischen Brummen froh. Aber seine emotionale Reichweite kratz nicht einmal an den Halb-, Viertel-, Achtel- oder Sechzehntelfinalsiegen der bundesrepublikanischen Nationalmänner über andere Nationalmänner. Denn das Spiel an sich und der Sport im besonderen bildet nun mal die Grundlage herrlicher Rangkämpfe. Wann immer und wo immer Jungs unterwegs sind, müssen sie ihre hierarchische Stellung aushandeln. Ohne klare Positionsbestimmung entsteht unerträgliche Unsicherheit – Mann ist verloren, orientierungslos. Der Vergleich miteinander – über Sport, Statussymbole, stimmliche Entgleisungen oder ganz einfach an der roten Ampel – bildet einen zentralen Daseinsinhalt des starken Geschlechts. Dabei vernachlässigen die Herren manche Tugenden höher entwickelter Lebensformen. Bolzplatz statt Büffeln. Wie dumm, dass am Ende die Frauen mit ihrer intelligenten Strategie mehr Erfolg haben. Sie haben bessere Noten und den WM-Titel!
Umso schlimmer, dass die Mädels dabei ganz in ihrer tradierten Rolle bleiben. Die Bundestrainierin (wie heißt sie doch gleich?) spielt den Erfolg herunter und meint „wir haben Glück gehabt“. Dann ordnen sich die Damen auch noch unter („bei den Männern Techniken abgeguckt“) und bescheiden sich mit 50.000 Euro Titelprämie pro pretty little head. Die Wahrheit tönt ganz leise am Rande: „Wir haben intelligent gespielt“. Das zaghafte Vermarktungsgeschick gehört zu den Schwächen, wenn – und nur wenn – sich Frauen auf den Wettbewerb im männlichen System, mit männlichen Regeln und Maßstäben einlassen.
Das geschieht täglich auf dem Spielfeld „Betrieb“. Was als Leistung zählt und honoriert wird, was einen weiterbringt oder zumindest in Beschäftigung hält, orientiert sich an Durchsetzungsvermögen, Umsetzungsstärke, Entscheidungskraft. Kriterien, die von Männern für Männer gemacht wurden. Kein Wunder, dass Frauen berichten, sie müssten das Doppelte leisten, um Anerkennung zu ernten. Der Extrastress begrenzt den Erfolg auf Etappensiege: Unteres oder mittleres Management. Dabei kämpfen Frauen mit Rollenerwartungen. Wann muss oder darf ich weiblich sein, wann muss oder darf ich männlich wirken?
Die Abwägungen haben ihren guten Grund: Selbst ein klarer Erfolg wird mitunter relativiert, wenn er zum Beispiel konsensorientiert, d.h. auf die weibliche Art, erzielt wurde. Wird das Ziel dennoch erreicht schlägt die anerzogene Bescheidenheit durch. Frauen verdienen weniger, dürfen dafür aber nebenbei im Haushalt mehr leisten! Viele dieser anstrengenden Schieflagen bleiben solange bestehen, wie Frauen bereitwillig nach den Regeln der Männer in von ihnen gewählten Disziplinen (mit)spielen. Das Nacheifern oder Imitieren gibt sie schließlich der Lächerlichkeit Preis. Die geballte Faust mit geflextem Bizeps kann im Frauensport nicht die gleiche Wirkung entfalten wie nach einem mutigen Muskelkampf der Rivalen. Und auch der zweite Frauen-Fußball WM Titel in Folge (!) entfaltet nicht die gleiche Wirkung wie ein Zweitliga-Klassenerhalt der Männer.