Ach, Europa!
Oh weh – wohin bist Du entfleucht, hehrer Geist Europas? Wer oder was machte Dir den Gar aus, so dass gar die Grande Nation der europäischen Politik nur ein schnödes Nein zur Verfassung hervorzubringen vermochte? Vielleicht war die Vision eines geeinten, wenn auch ohnehin nicht vereinten, Europas nur ein weiterer Bubble des Jahrtausendwechsels? Wie schon die New Economy. Eine fixe Idee, die von Politikern opportunistisch gepuscht wurde und die nun auf dem Boden der Tatsachen angekommen ist. Dabei gibt die überschwängliche Freude der Gegner zu Grübeln auf: Was wäre denn nach Freizügigkeit und Währungsunion so schlimm an einer gemeinsamen Verfassung, die diesen Namen ohnehin nicht verdient (weil sie weitaus weniger Verbindlichkeit hat als nationale Konstitutionen)? Ich werde das ungute Gefühl nicht los, dass schon die lauten Rufe – es waren eher Schreie – nach Volksentscheiden ein erstes Aufbegehren darstellten. Mit den negativen Umfragewerten in Frankreich und Holland wurde es zunehmend opportun, gegen die europäische Verfassung sein zu dürfen – und gegen die weitere Integration der Union. Die bis dahin unterdrückten Gefühle des Eigentlich-bin-ich-nicht-begeistert-von-der-Einigung fanden endlich ein Ventil. Nun ist das Non da, und die Gegner können richtig Dampf ablassen. Genug des Zusammenrückens, unsere nationalen Identitäten (welche bitte?) sind in Gefahr. Und gerade in ökonomisch schwierigen Zeiten möchten wir uns lieber ein-igeln als findig nach neuen (Aus-) Wegen zu suchen. Anderes wirkt (leider) bedrohlich – die Chancen werden so leicht übersehen. Diejenigen, für die Europa eher eine Zweckgemeinschaft darstellt, und denen jetzt schon zu viel Multikulturalität in der Union herrscht, sie reiben sich die Hände. Andere können jetzt noch offener Stimmung gegen eine weitere Erweiterung machen (z. B. Türkei, nachdem man mit Polen und der Tschechischen Republik gerne zusammen gegangen war…). Ja, Diversity hat als politisches Konzept noch einen weiten Weg vor sich. Gerade für Europa wäre es ein ideales Modell:
Einheit in Vielfalt. Aber die Eurokraten stehen sich mit Proporz-Denken und Einstimmigkeitsansatz selbst im Wege. Und von nationaler Seite gibt es in wirtschaftlichen lauen Phasen keinen Rückenwind, sondern Back-to-the- Roots-Tendenzen. Diese muss man jetzt erst mal zulassen und ernst
nehmen, und wie bei den Anfängen Europas (oder Diversity’s) Schritt für Schritt bearbeiten. Bewusstsein schaffen, persönliche Erfahrungen
ermöglichen. Also: Städtepartnerschaften pflegen statt DomRep fliegen. Sprachkurs in Salamanca statt Studium in Shanghai. Europa erleben, dann klappt’s auch mit dem Nachbarn.
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