Über den Umgang mit Homosexualität in Politik und Wirtschaft

Gegenüber dem einstigen Tabu-Thema Homosexualität lässt sich seit einigen Jahren eine zunehmende Akzeptanz in der Öffentlichkeit feststellen. Jüngstes Beispiel ist die breite und selbstverständlich wirkende Medienberichterstattung über die Hochzeit des Musikers Elton John. Dass die gestiegene Offenheit gleichzeitig zu einer besseren Integration von Lesben und Schwulen geführt hätte, lässt sich jedoch nicht umfassend feststellen. Tatsächlich sind gegenläufige Tendenzen in Politik, Wirtschaft oder in der Kirche zu beobachten. In manchen Teilbereichen verfügen Schwule und Lesben (und Transsexuelle) weiterhin nicht über die gleichen Rechte, wie Hetereosexuelle oder werden ausgrenzt – wie das Beispiel der Kirche zeigt. Jene Männer, die “Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte homosexuelle Kultur unterstützen“ sollen künftig von der Priesterweihe ausgeschlossen werden. Als Geistliche könnten nur Männer akzeptiert werden, die keine Homosexualität praktizieren und ihre Neigung nicht offen zur Schau tragen, so der Vatikan. Homosexuelle hätten zwar ein Recht darauf, akzeptiert zu werden, schreibt der Vatikan, gleichzeitig aber bezeichnet er gleichgeschlechtliche Liebe als „Störung“.
Homosexualität als „Störung“ zu betrachten ist auch in arabischen oder islamischen Ländern noch verbreitet – oft wird Homosexualität gänzlich „verboten“. Die Vereinigten Arabischen Emirate gingen so weit, eine Hormonbehandlung für Homosexuelle anzuordnen, die bei einer Feier in einem Hotel festgenommen wurden. Derartige Erniedrigung oder Diskriminierung findet jedoch nicht nur in fernen Ländern statt. Nach dem Sieg von Lech Kaczynski bei der Parlamentswahl in Polen übernimmt das konservative Lager auch das Amt des Staatsoberhaupts. Als Warschauer Bürgermeister hatte Kaczynski bereits zweimal den „Christopher Street Day“ (Gay Pride) verboten, da er gegen “die Propagierung homosexueller Orientierung“ sei. Mit populistischen Sprüchen gegen Schwule und Lesben baut Kaczynski eine Hassstimmung auf – VertreterInnen homosexueller Verbände befürchten eine dunkle Zeit für Schwule und Lesben in Polen. Zurecht, wie sich nun zeigt, da die polnische Regierung ein generelles Demonstrationsverbot für Homosexuelle erlassen will.
Während diese politischen Tendenzen auf eine wiederauflebende Ablehnung von Schwulen und Lesben hinweisen, zeigt die Praxis in der Wirtschaft, wie Menschen aller sexueller Orientierungen einbezogen werden können. So hat der US-Autohersteller Ford Vorwürfe entschieden zurück-gewiesen, wonach das Unternehmen seine Werbung in Gay-Medien angesichts von Boykottaufrufen konservativer Christen zurückgezogen habe. In einem öffentlichen Statement steht der Automobilkonzern klar zu seinem Engagement für Diversity und kündigte an, auch mit Anzeigen der Ford-Marke Volvo die schwul-lesbische Community weiterhin direkt ansprechen zu wollen.Ein weiteres Beispiel für Einbeziehung bietet die Deutsche Telekom. Das Telekommunikations-unternehmen weitete seine Versorgungsordnung auf gleichgeschlechtliche Lebenspartner aus. In der neuen Regelung heißt es “…im Todesfall erwirbt der hinterlassene Ehegatte bzw. der hinterlassene Lebenspartner i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes Anspruch auf das Versorgungsguthaben als Witwen- bzw. Witwerleistung…“ Damit zieht die Telekom nicht nur mit anderen internationalen Unternehmen gleich, sondern leistet auch ein klares Bekenntnis zu ihrer Diversity-Strategie. Die Beispiele zeigen, dass die Wirtschaft den anhaltenden gesellschaftlichen Trend zu mehr Offenheit und Einbeziehung auch im Themenfeld „sexuelle Orientierung“ pro-aktiv gestaltet. Einmal mehr erscheinen Unternehmen Wegbereiter für eine Politik, die nur zögerlich umfassende Gleichstellung zugesteht.