Rechtsextremismus in den Gewerkschaften

Eine Studie der Freien Universität Berlin, im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung und der Otto-Brenner-Stiftung, befragte 4000 Menschen zum Thema „Gewerkschaften und Rechtsextremismus“. Danach sind rechtsextreme Einstellungen unter Gewerkschaftsmitgliedern in der Bundesrepublik genauso verbreitet sind, wie unter Nicht-Mitgliedern. Jedes fünfte der etwa sieben Millionen Gewerkschaftsmitglieder hat eine rechte Einstellung. Ein besonders alamierendes Ergebnis der Studie: Gewerkschaftsmitglieder unterscheiden sich von den Nicht-Mitgliedern vor allem darin, dass bei ihnen die Mittelschicht überproportional rechtsextrem orientiert ist. Bei den Gewerkschaftsmitgliedern der Mittelschicht seien 19 Prozent rechtextrem eingestellt, bei den Nicht-Mitgliedern hingegen „nur“ 13 Prozent. Bei der Mittelschicht handelt es sich zumeist um FacharbeiterInnen und qualifizierte Angestellte, die über ein relativ gutes Einkommen und über eine vergleichsweise gute Bildung verfügen und daher eigentlich nicht zu den VerliererInnen der Modernisierungs- und Globalisierungsprozesse zählen. Dieses Mitgliedersegment hat innerhalb der Gewerkschaften nicht nur wegen seiner Größe eine herausragende Bedeutung, ihm gehören auch 43 Prozent der Funktionäre an. „Die maßgeblichen Trägergruppen der Gewerkschaften sind also besonders wenig immun gegen rechtsextreme Ideen; aus ihren Reihen stammt die Hälfte der Gewerkschaftsmitglieder mit rechtsextremen Einstellungen“, so die Berliner ForscherInnen.
Die Gründe für die rechtsextreme Orientierung in der Mittelschicht liegen, nach Meinung der ForscherInnen, in einer „doppelten Abstiegsangst“: Als ArbeitnehmerInnen drohe ihnen das Schicksal von sozialen VerliererInnen, als GewerkschafterInnen das der politischen VerliererInnen. Ihnen drohe ein Statusverlust aufgrund der allgemein sinkenden Bedeutung der Gewerkschaften, sie müssten mit ansehen, wie frühere Erfolge der Gewerkschaften demontiert würden. Diese Verluste und einhergehende Existenzängste erklärten die Neigung zu Rechtsextremismus.