Volle Ausschöpfung der Potenziale für höhere Rendite
In Deutschland ist mehr als jede sechste Arbeitskraft mit einem berufsqualifizierenden Bildungsabschluss unterwertig beschäftigt, d. h. für ihre Arbeit überqualifiziert. Bei Akademikern liegt der Anteil aktuell sogar noch etwas höher als bei Nicht-Akademikern und das Phänomen hat sich seit Mitte der 1980er Jahre deutlich verstärkt.
Eine Studie der Universität Hohenheim im Auftrag der IG Metall Baden-Württemberg brachte im Juli an den Tag, dass fast ein Fünftel der Beschäftigten unterqualifiziert arbeiten. Der Bericht mit dem Titel „Grenzen der Bildungsexpansion? Ausbildungsinadäquate Beschäftigung von Ausbildungs- und Hochschulabsolventen in Deutschland“ bestätigt mittels verschiedener Untersuchungsansätze, dass bei vielen Beschäftigten ein bedeutender Teil der während der Ausbildungsphase angeeigneten beruflichen Fertigkeiten und Kenntnisse ungenutzt bleibt. Gemäß der seit vielen Jahren durchgeführten HIS-Absolventenbefragung bewerten nur 45 Prozent der Hochschulabsolventen mit einem Bachelorabschluss in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) ihre ausgeübte Tätigkeit bezogen auf Inhalt und Anforderungsniveau als voll adäquat zu ihrer Ausbildung – gegenüber 79 Prozent mit einem Master oder Diplom. Ein gutes Drittel der Schlosser und Werkzeugmacher arbeiten laut IAB an einem Arbeitsplatz, der als nicht fachadäquat einzustufen ist. Außerdem kommt die Studie anhand eigener Schätzungen zu dem Ergebnis, dass das Risiko einer unterwertigen Beschäftigung bei befristeten Verträgen und Teilzeitbeschäftigung mit durchschnittlich 17,6 Prozent deutlich erhöht ist.
Ursachen für die hohe Diskrepanz zwischen Ausbildung und Berufsausübung sind der Studie zufolge unterschiedliche Verwertungschancen einzelner Ausbildungs- und Studiengänge, aber auch gruppenspezifische Benachteiligungen wie bei Personen mit Migrationshintergrund sowie atypische Beschäftigungsverhältnisse. Die Arbeitsorganisation und Personalpolitik müssen sich vorhalten lassen, die vorhandenen Qualifikationen nicht adäquat zu nutzen und zu entwickeln: So werden zu viele Routineaufgaben in der Verwaltung bei Ingenieuren oder zu wenig Weiterbildung für Facharbeiter bemängelt.
Diese ungenutzten Potenziale sind problematisch – sowohl für die Betroffenen als auch für die Unternehmen. Zumal eine weitere Studie ein deutlichen Zusammenhang zwischen Mitarbeitermotivation und der Rendite eines Unternehmens zeigt. Die aktuelle Aon Hewitt-Studie „Trends in Global Engagement“ basiert auf Daten von 3.100 Unternehmen mit 9,7 Millionen Mitarbeitern. Als besonders relevant für die Motivation von Mitarbeitern wurden dabei Karrieremöglichkeiten und Anerkennung der Leistung durch den Vorgesetzten bewertet. Insgesamt ist für Europa zwar ein minimaler Aufwärtstrend bezüglich der Mitarbeitermotivation zu verzeichnen, dies aber offensichtlich begünstigt durch Unternehmen, die trotz Krise kontinuierlich in ihre Mitarbeiter investiert haben. Durch Verbesserungen in der Führungskultur und der Arbeitsumgebung ließe sich in vielen Unternehmen ein Klima schaffen, das Mitarbeiter motiviert und fördert und Talente nicht weiter brach liegen lässt. Oder mit anderen Worten: Das Potenzial-Prinzip „Diversity“ kann helfen, Einbußen im Unternehmenserfolg durch nicht-genutzte Potenziale wett zu machen.