Vielfalt – Europas DNA – sichert Frieden und Wohlstand
Während nationalistische Narrative Homogenität propagieren, zeigte die SoCareNet-Europe-Konferenz 2018 in Budapest das Gegenteil: Vielfalt ist das Fundament Europas – und sie zu leben ist der Schlüssel zu Frieden, Wohlstand und globaler Glaubwürdigkeit.
Europäische Tagung in Budapest
Die 19. Jahrestagung von SoCareNet Europe (25.–27. September 2018) versammelte soziale Dienste, zivilgesellschaftliche Organisationen und ExpertInnen aus 11 Ländern. Ich war extrem gerne dabei – sowohl wegen des Themas wie auch wegen des Kontextes. Denn der Veranstaltungsort – Budapest – verlieh dem Treffen zusätzliche Symbolkraft: eine europäische Hauptstadt, in der Debatten über Migration, Pluralismus und Zivilgesellschaft besonders zugespitzt werden. Das Thema der Konferenz, „Diversity and Social Inclusion in Europe – Demands on politics, civil society and social enterprises“, machte die Dringlichkeit der Fragen für die Zukunft Europas deutlich.
Klare Ansagen und Selbstverpflichtungen
Die Grußworte stellten Vielfalt und Inklusion nicht als abstrakte Ideale, sondern als gelebte Realität dar. Dr. Mathias Hartmann, Rektor der Diakonie Neuendettelsau, betonte die strategische Bedeutung von Vielfalt in der Leistungserbringung, unter anderem durch inklusive Bildungs- und Sportprogramme. Der ungarische Staatssekretär Miklós Soltész brachte eine Regierungs-Perspektive ein – und erwähnte dabei auch die schwierige Situation von Minderheiten und die Rolle der Zivilgesellschaft in Ungarn.
Anspruch und Wirklichkeit: Die diakonische Sicht
Heather Roy, Generalsekretärin von Eurodiaconia, hielt ein Grundsatzreferat mit dem Titel „Diaconia and Diversity – Ambition and Reality“. Sie stellte die Frage, ob diakonische Organisationen als bloße Lückenfüller oder als echte Partner des europäischen Sozialmodells gesehen werden. Roy benannte Vielfalt als Herausforderung – aber auch als Chance für stärkere Gemeinschaften. Ihre Botschaft: Europa muss mehr wollen – inklusive Dienste, partizipative Demokratie und Gemeinschaften, in denen niemand zurückgelassen wird.
Von wirtschaftlichem Nutzen zu gesellschaftlichem Wert
Mein Beitrag war zweiteilig: Ein kurzer Vortrag und eine interaktive Session. Meine Einführung „Diversity in the European Context“ erweiterte die Debatte zunächst über den Sozialsektor hinaus. Die Wirtschaft nutzt Vielfalt und Einbeziehung für Innovation, Produktivität und Markterfolg – und dies auf wissenschaftlicher Grundlage und mit praktischem Erfolg. Doch für Gesellschaften geht es um noch mehr: Vielfalt ist die Grundlage von sozialem Zusammenhalt, demokratischer Resilienz und Frieden.
Mein Statement richtete sich an die Konferenz und an die Politik: Vielfalt ist kein Problem, das man „managen“ muss – sie ist die DNA Europas. Migration, kulturelle Begegnungen, sprachliche Vielfalt und religiöse Diversität haben diesen Kontinent seit Jahrhunderten geprägt. Politische Versuche, diese Realität zu leugnen – ob durch nationalistische Mythen oder homogene Leitbilder – sind nicht nur historisch widerlegbar, sondern gefährlich kurzsichtig.
Faktenlage: Vielfalt schafft Wohlstand und Stabilität
Da Teile der Politik und der Medien die problematische Seite, beispielsweise kultureller, ethnischer oder migrantischer Vielfalt überzubetonen war es mir wichtig, diese Mythen anhand von drei Beispielen aus der sozioökonomischen Forschung zu widerlegen:
- Ortega & Peri (2012) zeigte, dass Zuwanderung Produktivität und Pro-Kopf-Einkommen steigert.
- Gagliardi (2014) fand heraus, dass qualifizierte Migration Innovation und Kreativität vor Ort fördert.
- Richard Florida (2001) hat als Pionier belegt, dass Offenheit und Toleranz wirtschaftliche Dynamik genauso stark beflügeln wie Technologie oder Talente.
Weitere Forschung zeigt, dass die jeweilige „Mehrheitsbevölkerung” ebenso stark von Zuwanderung profitiert wie die MigrantInnen selbst.
Die Quintessenz: Vielfalt steigert nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, sondern schafft auch gesellschaftlichen Wohlstand und Stabilität.
Interaktive Session: Eigene Annahmen reflektieren
Im zweiten Teil meines Beitrages reflektierten die Teilnehmenden für sich und gemeinsam, wie politische Rahmenbedingungen oder institutionelle Strukturen Vielfalt fördern oder behindern. Dabei machten wir persönliche Annahmen sichtbar – und Möglichkeiten, wie Organisationen den Wert von Unterschieden stärker betonen könnten.
Die Erkenntnis: Kultur bestimmt, ob Vielfalt gelebt oder unterdrückt wird. Werte, Narrative und Grundannahmen bilden den Boden, auf dem Inklusion gelingt oder scheitert.
Nationalistischen Narrativen entgegentreten
Von hier führte die Diskussion direkt in die politische Gegenwart. Toxische, nationalistische Botschaften gründen auf der Behauptung einer Homogenität: ein Volk, eine Kultur, eine Wahrheit. Doch dieses Narrativ ist realitätsfern. Anhand aktueller DNA Anlaysen zeigte ich, dass Europas Gesellschaften schon lange vielfältig sind – durch Geschichte, Demographie und Alltagserfahrung.
Wer das leugnet, gefährdet die größten Errungenschaften der letzten 70 Jahre: Versöhnung nach Kriegen, den Aufbau von Wohlfahrtsstaaten, demokratische Institutionen und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Populistische Angriffe auf Vielfalt sind Angriffe auf Europa, die gesamte Gesellschaft und den mühevoll erworbenen Wohlstand aller.
Eine prophetische Vision für Europa
Insgesamt machte die Konferenz deutlich: Vielfalt ist kein Minderheiten-Thema – sondern die gemeinsame europäische Identität. Seit 1945 bildeten Pluralismus und Inklusion die Leitlinie für Verträge, Institutionen und alltäglichen Praktiken. Sie sind kein Luxus, sondern Fundament.
Ich unterstrich in meinem Ausblick: Europa muss selbstbewusst zeigen, dass Vielfalt Stabilität schafft, dass Pluralismus Wohlstand trägt und dass Inklusion Frieden sichert. Gegen die Lautstärke von Populismus und Polarisierung bleibt die europäische Geschichte der Vielfalt ein Vorbild in der Welt.
Ethnie; Herkunft; Migration; Kultur Internationalität Sprache Deutsch