Surfen mit Sehbehinderung: Barrieren bremsen blinde Surfer aus
Wenn Jan Eric Hellbusch im Internet surft, ist die brabbelnde Blechstimme seines Computers immer mit dabei. Bewegt er den Cursor per Tastatur über eine Grafik, stößt sein Rechner monotone Roboterlaute aus und erklärt, was sich hinter der Bilddatei verbirgt. Jeden Tastendruck erzählt die Stimme penibel genau nach. Wenn die Sprachgeschwindigkeit schnell eingestellt ist, hört sich die Stimme an wie ein schlechter Rapper. „Es gibt zwar schöner klingende Stimmen, aber ich habe bislang keine genauere Stimme gehört wie diese“, sagt Hellbusch. Präzise und verständlich müssen die Angaben der Roboterstimme auch sein, denn Jan Eric Hellbusch nutzt im Internet die Ohren und seine Tastatur, während sich die meisten Surfer mit Augen und Maus im Netz zurecht finden. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler hilft Firmen als selbständiger Berater bei der Barrierefreiheit ihrer Webseiten. Dass eine barrierefreie Webseite für einen Imagegewinn und neue KundInnen sorgt, wissen viele Unternehmen. „Die Barrierefreiheit ist jedoch leider nicht so selbstverständlich, wie sie sein könnte und sollte“, berichtet Jan Eric Hellbusch. „Wenn ich das Thema diskutiere, kommt früher oder später die Frage, um wie viele Nutzer es sich denn handelt.“ Das Thema „Barrierefreiheit“ werde dann meist auf „von blinden Nutzern bedienbar“ reduziert – dabei umfasst „Barrierefreiheit“ tatsächlich die Belange aller Menschen mit einer Behinderung. Im weiteren Sinne zählen auch MigrantInnen und nichtbehinderte Surfer der Generation „50plus“ zu den Internetnutzern, denen eine barrierefreie Webseite zugute kommen würde.
Während Unternehmen in Deutschland die sehbehinderten Surfer noch nicht als kaufkräftige Zielgruppe entdeckt haben, werben Hardwareentwickler in anderen Ländern umso intensiver mit Innovationen. LG Electronics brachte in Korea im vergangenen Jahr ein Handy nur für Blinde und Sehbehinderte auf den Markt, Samsung präsentierte in China den „Touch Messenger“ – ein mobiles SMS-Gerät für blinde Menschen. Zum Einsatz kommen ein eigens für die Blindenschrift ausgelegtes Display sowie eine braillefähige Spezialtastatur. Die Tastatur besteht aus 3 x 4 Knöpfen, die wie Standard-Blindentastenfelder verwendet werden. Noch befindet sich das Gerät im Prototypen-Stadium, Samsung hat nach Unternehmensangaben jedoch ein Kundenpotenzial von 180 Millionen Sehbehinderten weltweit ausgemacht. Im Klartext:, ein SMS-Endgerät für Blinde wäre für jeden 35. Erdenbürger interessant und damit alles andere als ein Exoten-Produkt.
Besonders im Internet müssten sich Dienstanbieter mit den Anforderungen von sehbehinderten KundInnen auseinander setzen, meint der Barrieren-Beseitiger Jan-Eric Hellbusch. Er ist sich sicher: „Wer Menschen mit Behinderungen als vereinzelte Sonderlinge abtut, verliert aktive Seitenbesucher und kaufwillige Kunden.“ Wer versucht, sich mit Erklärungen wie „Behinderte gehören nicht zu unserer Zielgruppe“ herauszureden, habe laut Hellbusch eine zentrale Eigenschaft des Internets ignoriert – schließlich sei das weltweite Datennetz der ideale Ort für den gesellschaftlichen Austausch aller Menschen, egal ob mit Behinderung oder ohne. Denn Webstatistiken unterscheiden nicht zwischen „behindert“ und „nicht-behindert“.