Mehrwerte mit Diversity: Weshalb wissenschaftliche Studien unterschiedliche Ergebnisse zeigen
Die grundlegende Frage, ob Vielfalt Mehrwerte für Unternehmen und nicht-gewinnorientierte Organisationen bringt, wurde bereits in sehr vielen Studien untersucht. Gerade wissenschaftliche Studien müssen dabei einzelne Aspekte herausgreifen und fokussierte Blickwinkel einnehmen. Entsprechend können sie zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Neuere Studien fragen, unter welchen Voraussetzungen Diversity Mehrwerte bringt. Andere suchten mögliche Negativeffekte.
Wissenschaftler der dänischen Universität Aarhus und der schweizerischen Universität Lausanne untersuchten, wie sich die Vielfalt in den Belegschaften auf die Produktivität in einer Auswahl dänischer Unternehmen auswirkte. Für die Analyse wurden zwei grundlegende Mechanismen, die bereits in vorherigen Studien identifiziert wurden, mittels eines Datenmatching (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) betrachtet: Zum einen mögliche negative Effekte von Diversity aufgrund mangelhafter Kommunikation, geringerer sozialer Netzwerke und Vertrauen und unzureichender Zusammenarbeit. Zum anderen positive Effekte von Vielfalt auf Entscheidungsprozesse, Problemlösungen, Kreativität und besserer Informationslage zu globalen Produktmärkten. Die Studie sollte zeigen, welche der beiden Wirkungen überwiegt.
Die Analyse berücksichtige die Merkmale kultureller Hintergrund, Bildung und demographische Charakteristiken. Als Hauptergebnis errechneten die Forscher einen positiven Effekt der Bildungsvielfalt auf die Produktivität der untersuchten Firmen. Demographische und ethnische Vielfalt korrelierten hingegen nicht oder negativ mit Produktivität. Dass die Studie weder andere Variablen berücksichtige noch die Gestaltungsbedingungen betrachtete, bildet sicherlich einen Schwachpunkt, zum Beispiel im Vergleich zu der folgenden Untersuchung.
Ein Team des Frankfurter Professors van Dick untersuchte in einer Feldstudie verschiedene notwendige Faktoren, die Diversity zu einem Erfolgsfaktor machen könnten. 316 Studierende mit unterschiedlich vielfältigen Hintergründen sollten in Gruppen verschiedene Projekte bearbeiten.
Interessanterweise konnten sich Studierende mit einer positiven Einstellung gegenüber Vielfalt besser mit anderen Gruppenmitgliedern – und damit mit der Gruppe und Aufgabe als Ganzes – identifizieren und erreichten in der Summe bessere Teamergebnisse. Für StudentInnen mit einer negativen oder neutralen Haltung gegenüber Vielfalt konnte kein statistischer Zusammenhang zur Gruppenleistung festgestellt werden. Auch in weiteren Studien von van Dicks Team mit abgewandelten Hypothesen blieb das Grundelement der Einstellung zur Vielfalt als kritische Variable bestehen, die über die Mehrwerte von Diversity entschied. Eine offene Grundhaltung führte sogar zu positiven Gruppenergebnissen wenn die Gruppe relativ homogen aufgebaut war.
Die übergeordnete Botschaft der beiden Studien ist deutlich und konform mit früheren wissenschaftlichen Erkenntnissen. So zeigte eine groß angelegte Metastudie von rund 100 Vergleichsstudien zum Erfolg heterogener versus homogener Teams, dass der Vorsprung heterogener Gruppen auf dem Bewusstsein für Unterschiede, der Kenntnis damit zusammenhängender Dynamiken und dem Vorhandenensein entsprechender Kompetenzen beruht. Dieses, wie auch die neuen Ergebnisse van Dicks bestätigen einmal mehr das Konzept des „Potenzial-Prinzips“: Diversity braucht eine bewusst offene Einstellung und aktive Einbeziehung, um aus Vielfalt Vorteile zu generieren. Die Umkehrung gilt noch deutlicher: Ohne Offenheit oder effektive Kommunikation und Zusammenarbeit bleibt Verschiedenheit ein wahrscheinlicher Störfaktor.