Kulturelle Vielfalt: (k)ein Wettbewerbsfaktor für deutsche Konzerne?
Welche Rolle spielt kulturelle Vielfalt im Rahmen des betrieblichen Diversity Managements bei Unternehmen in Deutschland? Mit dieser Frage beschäftigte sich die Betriebswirtin Insa Harms in ihrer Analyse der Vorstandsprofile und Webseiten der DAX30 und kam zu erstaunlichen Ergebnissen.
Nahezu alle Unternehmen berichten auf ihren Internetseiten, eine Diversity Management Strategie implementiert zu haben. Mit dieser wollen sie die Kundenbedürfnisse besser befriedigen, ihren Erfolg insgesamt steigern und Wettbewerbsvorteile erzielen. Allerdings legt weniger als die Hälfte der Konzerne einen Schwerpunkt auf die Förderung kultureller Vielfalt. Besonders eklatant ist hierbei, dass nur ein Unternehmen diesen Fokus mit der wachsenden kulturellen Vielfalt der deutschen Gesellschaft in Form der steigenden Anzahl an Menschen mit Migrationshintergrund begründet. Für wirtschaftlichen Erfolg sollten sich auch diese Kulturen im Unternehmen widerspiegeln. Dagegen spielt für die Mehrheit der Unternehmen kulturelle Vielfalt hauptsächlich durch die internationalen Geschäftsaktivitäten eine Rolle.
Wenn aber Internationalität eine strategische Priorität ist, müssten doch zumindest die Vorstände inter-kulturell nach Märkten und Standorten zusammengesetzt sein. Auch hier zeigt sich ein unstimmiges Bild, denn über 70 Prozent der Vorstandsmitglieder stammen aus Deutschland, gefolgt von den USA mit sieben Prozent und Österreich mit vier Prozent. Strategisch bedeutende Länder wie China oder Russland sind hingegen nicht vertreten. Die Türkei, die sowohl die größte inner-deutsche Vielfaltskultur wie auch einen ausländischen Wachstumsmarkt darstellt, ist ebenfalls nicht unter den 194 Vorständen vertreten.
Natürlich beinhalten Auswertungen der Nationalität eine Fehlerquelle, denn das Merkmal überlagert sich mit den Themen Ethnie, Kultur, Religion und Muttersprache(n). Diese Faktoren können auch bei gleicher Nationalität eine wertvolle Bereicherung darstellen. Die von den DAX30 erwähnten Maßnahmen beziehen sich zu allermeist auf inter-kulturelle Trainings, von denen nicht bekannt ist, welche Vielschichtigkeit dort abgedeckt wird oder ob lediglich traditionelle Klassifizierungsmodelle angewendet werden. Insgesamt zeigen die Erkenntnisse der Studie, dass kulturelle Vielfalt in der Realität bislang bestenfalls halbherzig als Wettbewerbsfaktor genutzt wird. Trotz Globalisierung, Fachkräftemangel und demographischem Wandel scheinen Berührungsängste, Kommunikationsbarrieren und Befürchtungen von Konfliktpotentialen noch immer stärker zu sein als die Bereitschaft zu strategisch weitblickenden Personalentscheidungen.
Ethnie; Herkunft; Migration; Kultur Internationalität Sprache Deutsch