Ist das Kopftuch noch „ein rotes Tuch“?

Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgelegte Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ sorgt für reichlich Diskussionsstoff. Der Bericht stützt sich auf eine bundesweite Befragung von ca. 6.000 Personen aus 49 muslimisch geprägten Herkunftsländern. Nach Angaben der Studie ist Zahl der in Deutschland lebenden Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis mit etwa 4 Millionen höher als erwartet. Anders als medial oft dargestellt spielt Religion für die meisten der Befragten keine übergeordnete Rolle. Nur ein Drittel von ihnen beschreibt sich als „stark gläubig“, während sich die Hälfte als „eher gläubig“ einstuft und 15 Prozent der Befragten zu „eher nicht“ oder „gar nicht“ gläubig tendieren. EMMA-Herausgeberin Alice Schwarzer kritisiert mit Verweis auf diese Zahlen die häufig vorhersschende Annahme, „wer muslimischer Herkunft ist, sei automatisch auch religiös; und wer religiös sei, müsse sich zwingend an gewisse ‘Gebote‘ des Koran halten, wie Fastenzeit oder Kopftuch. Dieser Eindruck ist falsch. Denn er basiert nicht auf der Realität der in Deutschland lebenden MigrantInnen und ihrer Kinder und Enkelkinder, sondern auf der Ideologie rühriger Islamverbände“. Insbesondere die seit Jahren bundesweit geführte Kopftuchdebatte dürfte durch die in der Studie veröffentlichten Fakten in die nächste Runde gehen. Demzufolge haben 70 Prozent der befragten Frauen noch nie ein Kopftuch getragen. Auch von jenen Befragten, die sich als „stark gläubig“ bezeichnen würden, trägt nur die Hälfte den haarverschleiernden Stoff. Diese Zahlen dürften jene Islamverbände, welche die Kopftuchpflicht fordern in Erklärungsnot bringen. Die repräsentative Studie belegt, dass sie nur für eine kleine Minderheit, nicht aber stellvertretend für die in Deutschland lebenden MigrantInnen aus muslimischen Kulturkreisen sprechen. Bekräftigt wird diese These durch die von Generation zu Generation immer weiter sinkende Zahl an Kopftuchträgerinnen. Kritiker wie Schwarzer, die stets das Kopftuchverbot an Schulen eingefordert haben, fühlen sich bestätigt: „Die kopftuchfreie Schule ist jenseits des Rheins längst Alltag. Die Schülerinnen und Schüler aller Kulturen finden es selbstverständlich, dass das stigmatisierende Stück Stoff nicht mehr zwischen ihnen steht.“ Weitere Informationen und die Vollversion der Studie finden Sie: hier