Inklusion in Österreich: Zuckerbrot & Peitsche für Unternehmen?

Die Zahl der Behinderten ohne Arbeit steigt in Österreich und schon entbrennt Streit zwischen den Unternehmen und dem Staat um die besten Rezepte. Im Jahr 2013 waren 9,4% Behinderte als arbeitslos gemeldet, ein Anstieg um 0,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Der Behindertenanwalt des österreichischen Bundessozialamtes, Hansjörg Hofer, ist sehr unzufrieden mit dieser Entwicklung und führt sie auf eine Reform aus dem Jahr 2011 zurück. Damals lockerte Österreich den Kündigungsschutz behinderter MitarbeiterInnen mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50%. Seitdem gilt für diese ArbeitnehmerInnen der Kündigungsschutz nicht mehr nach sechs Monaten, sondern erst nach vier Jahren Betriebszugehörigkeit. Nun bringt Hofer eine Rücknahme der Reform und weitere gesetzliche Verschärfungen ins Spiel, denn die Unternehmen seien offensichtlich nicht motiviert genug, Behinderte einzustellen.

Wie im Nachbarland Deutschland müssen auch die österreichischen Unternehmen eine bestimmte Quote behinderter ArbeitnehmerInnen erfüllen, derzeit sind es 4%. Der Behindertenanwalt plädiert für eine Erhöhung dieser Quote; ginge es nach ihm, müsste auf 16 Angestellte ein behinderter Kollege kommen. Er verweist auf Deutschland, dort liegt der Anteil bei einer/m behinderten Beschäftigten auf 15 MitarbeiterInnen. Zudem möchte Hofer strengere Regeln bei der Ausgleichsabgabe, eine Verdoppelung der derzeit 350 Euro pro unbesetzem Arbeitsplatz für Unternehmen mit mehr als 100 MitarbeiterInnen schließt er nicht aus. Allgemein seien ohnehin nur 3% aller österreichischen Unternehmen davon betroffen, da die meisten Unternehmen nicht groß genug sind.

Diese Ideen finden keinen Beifall bei den Unternehmen. Sie hatten gemeinsam mit einigen Behindertenorganisationen 2011 massiv für die Lockerung des Kündigungsschutzes geworben. Den Anstieg der Arbeitslosenquote führen sie nicht auf einen Unwillen zur Inklusion zurück, sondern verweisen auf die allgemeine konjunkturelle Lage, die behinderte Angestellte härter treffe als andere Beschäftigte. Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) sieht einen weitereren Grund für den Anstieg der Arbeitslosenzahlen im erschwerten Zugang von Förderungen für die Anstellung von behinderten Personen. Da hier seit 2011 nicht mehr das Bundessozialamt zuständig ist, gibt es nun unterschiedliche regionale Regeln und Ansprechpartner für den Bezug der Lohnbeihilfen; die Intransparenz und der Arbeitsaufwand haben sich daher für Unternehmen erhöht.

Stimmen aus der Wirtschaft merken zudem an, dass es gar nicht ausreichend begünstigte Behinderte auf dem Arbeitsmarkt gibt, um die Pflichtplätze zu füllen. Diese Argumentation mag angesichts der geringen Zahl von betroffenen Unternehmen und der der derzeitigen Arbeitlosenquote etwas fadenscheinig wirken. In jedem Fall könnte es tatsächlich zielführender sein, statt auf härtere Strafen lieber auf zusätzliche Anreize zu setzen und den Unternehmen gute Rahmenbedingungen für die Beschäftigung behinderter Menschen zu bieten.