Geschlechterrollen in Deutschland weiterhin starr und traditionell
Vorurteile und Rollenmodelle sind leider hartnäckiger als wir glauben möchten. Zahllose Studien, produktive Praxisbeispiele und positive persönliche Erlebnisse vermögen nicht, das traditionelle Rollenbild der Geschlechter in Deutschland zu bewegen. Im Gegenteil: jeder vierte deutsche Mann ist von der Gleichberechtigung der Geschlechter genervt und zwei Drittel der Männer sind davon überzeugt, dass die jetzt gegebene Gleichberechtigung ausreicht. Dies zeigt eine Umfrage des Allensbacher Institut für Demoskopie im Auftrag der Zeitschrift Bild der Frau.
Das Thema Gleichberechtigung ist in der öffentlichen und privaten Diskussion Vieler ein Reizthema, da es oftmals wie ein Nullsummenspiel daher kommt. Die Zugewinne weiblichen Einflusses werden als Verluste für die Männer gedeutet, Unterschiede und Defizite werden stärker betont als Gemeinsamkeiten und Stärken. Dieser Verteilungskonflikt findet auch seinen Ausdruck in Büchern wie das der US-amerikanischen Journalistin Hanna Rosin, welches unter dem vielsagenden Titel Das Ende der Männer und der Aufstieg der Frauen Anfang dieses Jahres auf deutsch erschien. Solche Titel und Thesen erzeugen weder Wohlgefallen noch echtes Verständnis für das eigentliche Thema – und sie verhindern eine konstruktive Arbeit an einer geschlechterparitätischen Chancengleichheit.
Wie so oft liegen tiefere Gründe für den Mangel an Veränderung vor: Im Genderbereich ist dies vor allem das Rollenverständnis der Männer, das laut gemäß der aktuellen „großen Männer-Umfrage“, wie sie von Bild der Frau vollmundig genannt wird, dringend generalüberholt werden muss: eine deutliche Mehrheit der deutschen Männer glaubt, sie müssten alleine für den Lebensunterhalt der Familie sorgen. Zur Ehrenrettung muss gesagt werden, dass auch eine Mehrheit der Frauen (60 %) dies von den Männern erwartet. Beruflicher Erfolg und Durchsetzungsfähigkeit wird von den Männern ebenfalls als Teil ihrer Rolle definiert. Gleichzeitig sagen 35 Prozent der Männer, dass sie es schwierig finden, die vielfältigen heute an sie gestellten Rollenerwartungen zu erfüllen.
Besonders bedenklich sind die Ergebnisse der Umfrage rund um das Thema Haushalt. Eine deutliche Mehrheit weiblicher wie männlicher Befragter glaubt, dass Frauen besser bügeln, Fenster putzen und Wäsche waschen können. Dieses angebliche „natürliche Talent“ führt dazu, dass jeder zweite Mann angibt seine Partnerin würde den größeren Anteil an der Hausarbeit erledigen, selbst wenn beide in Vollzeit arbeiten. Eine radikale Änderung dieser veralteten Ansichten ist leider nicht zu erwarten: Jüngere Befragte unterscheiden sich in ihren Einstellungen kaum von älteren. „Das traditionelle Geschlechterverständnis setzt sich natürlich am Arbeitsplatz fort“, weiß Diversity-Experte Michael Stuber, „und führt hier zu stereotypischen Rollenzuschreibungen vor allem in Führungs- und Assistenzbereichen sowie in technischen versus personenorientierten Funktionen“. Unternehmen könnten dabei nur begrenzt auf gesellschaftliche Ausgangssituationen Einfluss nehmen, aber sie könnten die Auswirkungen in Beruf und Karriere weitgehend neutralisieren.