Frauennetzwerke in der Praxis
Eine große Zahl von Frauennetzwerken setzt auf unterschiedliche Konzepte, um Beiträge zur Umsetzung von Diversity zu generieren. Im besten Falle spiegeln sie die Besonderheiten der Branche und des Geschäftsmodelles wider und wirken gezielt auf die Führungskultur und in das Umfeld eines Unternehmens. Einige konkrete Beispiele illustrieren dies…
Kaum ein großes Unternehmen kommt heute ohne Frauennetzwerk aus. Dabei übertreffen sich Konzerne gegenseitig mit scheinbar neuen Konzepten, mit hohen Mitgliedszahlen oder mit kreativen Namensschöpfungen. Beispiele aus ganz unterschiedlichen Branchen, von Metro, Commerzbank, Infineon und Bayer, zeigen aktuelle Beispiele, die den theoretischen Rahmen ausfüllen, der wie folgt beschrieben wird:
„Mitarbeiternetzwerke – oder amerikanisch Resource Groups – bilden sich zu bestimmten Themen und zielen intern vor allem auf den Austausch zwischen den Mitgliedern ab. Extern sollen sie in das Unternehmen hineinwirken – zum Beispiel aufklärend – oder außerhalb des Unternehmens Kontakte auf- und ausbauen. Bezüglich der Struktur der Mitglieder existieren unterschiedliche Ansätze. Entweder bestehen die Netzwerke nur aus Angehörigen der jeweiligen Outsider-Gruppe(n) – dies könnte man einen fokussierten Ansatz nennen – oder sie beziehen auch Angehörige der jeweiligen Insider-Gruppe mit ein (integrativer Ansatz). Ein fokussiertes Vorgehen betont den Vertraulichkeitsaspekt und die gegenseitige Unterstützung der Netzwerkmitglieder. Ein integrativer Ansatz betont dagegen die Vernetzung mit Verbündeten und Schlüsselpersonen in der Organisation und begünstigt den Kulturwandel über die gewonnen Change Agents.
Durch Mitarbeiternetzwerke wird Vielfalt in einer Organisation sichtbar und erlebbar gemacht – sie erhält sprichwörtlich viele Gesichter. Frauen-, Homosexuellen- oder Migranten-Netzwerke bewirken, dass das jeweilige Vielfalts-Thema zur greifbaren Realität wird und nicht als Einzel- oder Randphänomen gilt. Netzwerke tragen spezialisiertes Know-how und dezidiert andere Perspektiven zum betrieblichen Alltag bei. Sie dienen bei der Diversity-Implementierung als Ansprech- und Projektpartner sowie als Bindeglied in die jeweiligen „Communities“ außerhalb des Unternehmens. Nicht selten helfen Sie, die Marktbearbeitung eines Unternehmens zu verbessern und neue Segmente zu erschließen.“ (aus dem Fachbuch „Diversity & Inclusion: Das Potenzial-Prinzip“, 2014, S. 164)*
Wie diese Überlegungen in der Praxis umsetzbar sind, zeigen die folgenden, verschiedenen Beispiele.
Bei „Women in Trade“ handelt es sich um ein recht junges, sehr aktives Gender-Netzwerk der METRO GROUP, internationaler Handelskonzern mit rund 270.000 MitarbeiterInnen in 32 Ländern. Die Idee für das Netzwerk entstand im Jahr 2012 und die selbst gesetzten Aufgaben bestehen im Wesentlichen darin, den Mitgliedern den Austausch über Tipps zur Karriereplanung, Erfahrungen mit unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen oder auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Trotz der Namensgebung möchte Women in Trade nicht als reines Frauennetzwerk verstanden werden; vielmehr sollen auch interessiere Männer beteiligt werden und die Möglichkeit bekommen, sich zu engagieren. Dieses Vorgehen entspringt nicht zuletzt auch der Einsicht, dass sich männliche und weibliche Themen heutzutage nicht mehr klar voneinander trennen lassen. Wichtig für das Selbstverständnis des Netzwerkes ist, dass sich die Mitglieder als echte „bottom-up“-Bewegung verstehen und nicht als von oben verordnetes Netzwerk.
Das Netzwerk „Courage“ der Commerzbank ist im Vergleich zu WiT bereits eine alte Häsin: im Jahr 1998 gegründet gehört es zu den ältesten Frauennetzwerken der deutschen Wirtschaft. Die subtile Namensgebung mit dem „Co..“ der Commerzbank zeigt die Sorgfalt der Initiative, die mehr als 400 Mitarbeiterinnen der Commerzbank vereint. Das Netzwerk ist dezentral organisiert und die Schirmherrschaft übernimmt alternierend ein Vorstandsmitglied des Unternehmens. Courage führt jährlich bis zu 50 Workshops zu diversen Themen durch, darunter zu Karriereplanung, Verhandlungsstrategien, Konfliktmanagement oder Eigen-PR. Als Ziele definiert das Netzwerk die Präsenz und den Einfluss von Frauen in der Commerzbank zu erhöhen, Frauen konzernintern über Bereichsgrenzen und Positionen hinweg zusammenzubringen sowie sie bei der Findung und Umsetzung ihrer beruflichen Ziele zu unterstützen. Courage arbeitet aktiv mit anderen Mitarbeiternetzwerken der Bank zusammen – keine Selbstverständlichkeit in vielen anderen Unternehmen.
Auch der Technologiebereich setzt auf Geschlechterstrukturen. Ein besonders innovatives Beispiel liefert hier Infineon mit seinem Gender-Diversity-Netzwerk, GDN. Dieses ist standortübergreifend gestaltet und bringt ausgewählte Führungskräfte spezifisch zum Thema Gender zusammen, um an der Schaffung einer sowohl für Frauen als auch für Männer attraktiven und chancengerechten Arbeitswelt mitzuwirken. Hier bedingen sich Vision und die integrative Ausgestaltung des Netzwerkes gegenseitig. Über seine Mitglieder und zudem lokale Ausgründungen wirkt das Netzwerk auf verschiedene Bereiche der Organisation.
Unternehmen wie Infineon setzen sich darüber hinaus in externen Gender-Netzwerkern ein. Diese sind häufig international wie zum Beispiel die branchenübergreifende EWMD (European Women’s Management Development) oder die globale Pharmaorganisation HBA (Healthcare Businesswomen’s Association). Diese Organisationen ermöglichen es den teilnehmenden Unternehmen, wertvolle Netzwerke zu pflegen und zusätzliche inhaltliche Angebote für weibliche Führungskräfte (und Nachwuchskräfte) zu realisieren. Für Bayer HealthCare stellt das externe Engagement in der HBA eine wichtige Ergänzung für unternehmensinterne Ansätze dar. HBA umfasst mehr als 6.200 engagierte Frauen und Männer aus Bereichen wie Biotechnologie, Pharmazie und Healthcare. Die Mission: Mehr Frauen zu Führungspositionen im Healthcare-Sektor verhelfen und ihren Einfluss in der Branche weltweit stärken. Damit dies gelingt liegen wesentliche Schwerpunkte der Arbeit auf Networking, dem Austausch von Wissen sowie Fortbildungen zu Führungsfähigkeiten. Hochrangige Vorträge an Standorten weltweit dienen diesem Zweck auf vorbildliche Art und Weise.
* Weitere Informationen zu dem Fachbuch „Diversity & Inclusion: Das Potenzial-Prinzip“ finden Sie hier.