„Frauennetzwerke“: Das große Missverständnis bei Gender Diversity
Es ist bereits ein Reflex geworden: Zur Arbeit am Thema „Gender“ gehört zwingend ein Frauennetzwerk. Einer der gut gemeinten Ansätze, auf den vor allem Top-Manager häufig stolz sind. Sie glauben, Frauen Raum, Struktur und Sichtbarkeit zu geben. Wie so oft ist auch hier gut gemeint das Gegenteil von gut gemacht. Denn die Zielsetzungen vieler Frauennetzwerke sind häufig entweder unklar oder unrealistisch.
Unklarheit entsteht meist aus einer Überfrachtung der Ziele oder Erwartungen. Ein Frauennetzwerk erhält mitunter eine kaum zu bewältigende Agenda mit strategischen, operativen, konzeptionellen, politischen, repräsentativen, kommunikativen und weiteren Aufgaben. Nicht nur fehlen dafür meist die Ressourcen. Schwerer aber wiegt der Profilverlust, der mit den mannigfaltigen Aktivitäten einhergeht. Dies wirkt sich negativ auf die Mitgliederwerbung und auf die Außenwirkung aus.
Überhöhte oder unangebrachte Erwartungen wirken sich ebenfalls ungünstig auf die Wirkung und die Wahrnehmung von Frauennetzwerken aus. Die 5 häufigsten Fehler sind:
Fehler 1: Das Frauennetzwerk soll eine Analyse (intern und oder extern) durchführen und Vorschläge erarbeiten. Diese Aufgabe missbraucht das ehrenamtliche Engagement weiblicher Mitarbeiter und bürdet ihnen Pflichten auf, die in anderen Themenbereichen selbstverständlich dem Unternehmen obliegen. Für Employer Branding, Just-in-Time-Lösungen oder CRM-Optimierung würden stets professionelle Analysen von den Fachabteilungen durchgeführt. Warum nicht für (Gender) Diversity?
Fehler 2: Das Frauennetzwerk soll Frauen helfen. Der Appell an „Sisterhood“ mutet sozial-empathisch an, wirkt sich jedoch als Vertiefung eines häufig unausgesprochenen Grabens aus: Auf der einen Seite die Männer mit ihren informellen Bonding-Netzwerken (aka Boys‘ Club), auf der anderen Seite nun der feministische Block? Das ist nicht nur gegen die Idee von Diversity und vor allem gegen die von Inclusion, es funktioniert in Realität auch nicht, da die eiskalte Karrierestütze nicht zur (stereotypischen) Gender-Rolle von Frauen passt.
Fehler 3: Das Frauennetzwerk soll die Kultur verändern. Es ist eine Binsenweisheit, dass Randgruppen keine dominante Kultur verändern können. Sie werden stets als lästige Störelemente wahrgenommen, da sie weder über den nötigen Einfluss, noch über die erforderliche Anerkennung verfügen. Kulturveränderung stellt stets eine Aufgabe für alle dar und muss von Meinungsführern behutsam begleitet werden.
Fehler 4: Das Frauennetzwerk wird als Repräsentant aller Frauen angesehen. Dieses Schicksal teilen Frauennetzwerke mit anderen sogenannten Employee Resource Groups (ERGs). Sie werden gebildet, um einem Thema Gesicht und Stimme zu geben. Unglücklicherweise werden diejenigen, die sich (zufällig) dort engagieren nicht nur als VertreterInnen angesehen, sondern auch als ExpertInnen für alle Fragen des Themenbereichs. Nur in Ausnahmefällen dürfte diese Qualifikation bei Netzwerkmitgliedern vorhanden sein.
Fehler 5: Das Frauennetzwerk soll die externe Kommunikation für das Thema mitgestalten oder übernehmen. Wie schon beim ersten Fehler sollen hier Frauen (aka „Betroffene“, sic) die Aufgaben funktionaler ExpertInnen der Firma übernehmen. Gerade für Marketingfragen erscheint dies deutlich unangebracht, und zwar für alle Diversity-Netzwerke, die es geben mag. Zu deutlich würde nötige Expertise durch persönliche Sichtweisen ersetzt. Für die Öffentlichkeitsarbeit dagegen macht es Sinn, die Mitglieder von Netzwerken für eine positive Außenwirkung einzusetzen. Also Testimonials versteht sich.
Ob nun größere oder kleinere Fehler gemacht werden, Frauennetzwerke lösen in der heutigen Zeit (im Jahr 5 nach der Quotendebatte) so oder so ungewünschte Nebeneffekte aus. Reflexartig meckern Männer und melden monierend Netzwerke für sich an. Dieses kindische Ich-will-auch-ein-Förmchen verkennt natürlich die Existenz von Männerbünden; dies vermag jedoch die negative Einstellung nicht zu verhindern. Zu vermeiden ist das negative Karma nur durch eines: Einbindung der Männer.
Schon länger stehen einige Frauennetzwerke auch Männern offen – nur die Namen der Netzwerke – und häufig auch die Angebote – verhindern den Beitrittswunsch häufig bevor er überhaupt entstehen kann. Dabei ist längst klar, dass nur integrative Gender Diversity Konzepte weiteren Fortschritt bringen mögen. Den Frauen, die an dieser Stelle nach einem geschützten Raum untereinander fragen, sei gesagt: Das zu organisieren ist auch in gemischten Netzwerken leicht und – noch wichtiger – akzeptiert möglich.