Frauen und Technik – eine Frage der Organisation
Seit mehreren Jahren versuchen Politik und Wirtschaft mit Initiativen wie „Komm, mach MINT“, Frauen in technische Berufe und Studiengänge zu locken, um dem steigenden Fachkräftemangel entgegen zu wirken – mit bis dato eher bescheidenem Erfolg. Einen neuen, viel versprechenden Weg hat nun die Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) eingeschlagen. Die Verantwortlichen dort haben erkannt, dass das Problem nicht bei den Frauen selbst liegt, sondern unter anderem an den Hochschulen. Frauen entscheiden sich laut der Eva Viehoff, Projektkoordinatorin der MINT-Initiative, vor allem dann für einen technischen Beruf, wenn dieser einen gesellschaftlichen Nutzen hat. In der Folge rief die HTW einen neuen Bachelor-Studiengang ins Leben, der sich ausschließlich an Frauen richtet und die Aspekte Informatik und Wirtschaft kombiniert. Dabei verzichtet die Hochschule auf das Aussieben der Studentenschaft durch trockene Lehrveranstaltungen in den ersten Semestern, die Untersuchungen zufolge unter anderem begabte Frauen in die Flucht schlagen. Statt dessen setzt die HTW auf die Kombination von technischen Aspekten und ihrer Anwendung in der Wirtschaftspraxis. Die Studienzeiten orientieren sich an den Öffnungszeiten von Kindertagesstätten und Klausurtermine liegen außerhalb von Schulferien. Dabei genießen die Studentinnen auch die Abwesenheit männlicher Kommilitonen mitsamt ihren „höhnischen Sprüchen“, die, so die Prodekanin der HTW Debora Weber-Wulff, in technischen Fächern an den Hochschulen keine Seltenheit seien.
Mit dem Konzept haben die Verantwortlichen ausgetretene Pfade verlassen und bieten ein Musterbeispiel gelungener Gender Arbeit. „Häufig wird Gleichstellung mit gleicher Behandlung verwechselt“, weiß Diversity-Experte Michael Stuber. „Aus Sicht des Diversity Managements geht es aber um die Anerkennung der Unterschiede und den respektvollen, adäquaten Umgang mit diesen“, so Stuber weiter. Die Erfolge der HTW können sich sehen lassen und bestätigen den eingeschlagenen Weg: Die Anzahl der Bewerberinnen ist dreimal höher als die vorhandenen Plätze, ein Viertel der Studentinnen sind Mütter, an anderen Hochschulen liegt deren Anteil bei zehn Prozent.