Diversity neu denken: Von besten Absichten zu echter Wirkung

Expertenvortrag für ein renommiertes US-amerikanisches MBA-Programm beleuchtete das Wertschöpfungsmodell von DE&I und die neuen globalen Dynamiken aus europäischer Perspektive.

Ein transatlantischer Dialog über Vielfalt

Im Mai 2022 hatte ich die Gelegenheit, vor einer Gruppe angehender Führungskräfte eines renommierten US-MBA-Programms zu sprechen. Im Rahmen ihrer Europareise beschäftigten sich die Studierenden mit Diversity, Equity & Inclusion (DE&I) in Unternehmen, mit politischen Rahmenbedingungen und kulturellen Einflussfaktoren. Meine Rolle bestand darin, die europäische Sichtweise einzubringen – und zu zeigen, wie sich DE&I von Compliance und Symbolpolitik hin zu einem echten Wertbeitrag entwickeln kann.

Das Wertschöpfungsmodell von DE&I

Im Mittelpunkt meines Vortrags stand das Potenzial-Prinzip, das von mir entwickelte, forschungsbasierte Wertschöpfungsmodell von DE&I. Es rückt Vielfalt weg vom Verständnis als „moralische Pflicht“ (die mit persönlichen Werten steht oder fällt) oder als Checkliste bunter Unterschiedlichkeiten (die jederzeit zur Disposition stehen) hin zu einem Prozess, der Unterschiede gezielt in Mehrwerte übersetzt. Vielfalt umfasst mehr als Geschlecht oder Herkunft – auch Erfahrungen, Ausbildung, Kompetenzen, Arbeitsstile und Führungsverhalten. Entscheidend ist, wie Organisationen diese Unterschiede nutzen, um Ergebnisse zu erzielen: bessere Performance, höhere Resilienz oder gesteigerte Innovationskraft.

Der Fokus auf dem gewünschten Ergebnis

Um oberflächliche Symbolik oder isolierte Maßnahmen zu vermeiden, habe ich vorgeschlagen, mit dem Ziel zu beginnen: Mit welchen strategischen Prioritäten wollen wir DE&I verknüpfen? Bessere Zusammenarbeit oder Produktivität, fundiertere Entscheidungen oder Innovation, höhere Marktnähe? Wenn diese Outcomes klar sind, können Organisationen rückwärts planen: Diversity wird nicht „gefeiert“ oder in konkurrierende Einzelthemen fragmentiert, sondern als systemischer, geschäftsrelevanter Prozess gestaltet.

Traditionelle Ansätze kritisch hinterfragt

Im weiteren Verlauf stellte ich klassische DE&I-Ansätze – meist bestehend aus Events, Kennzahlen oder Sensibilisierungstrainings – den logisch nächsten Entwicklungsstufen gegenüber: Diversity, eingebettet in Kultur, Geschäftsprozesse und Leadership. Symbolische Aktionen schaffen Sichtbarkeit, verändern aber selten die Kultur. Dauerhafte Wirkung entsteht nur durch Integration: wenn Rekrutierung, Entwicklung, Führung und Geschäfsansätze mit inklusiven Prinzipien verknüpft werden. Die Studierenden diskutierten engagiert, ob Kennzahlen dennoch eine Rolle spielen und wie man Organisationen nicht mit Komplexität überfordert.

Europäische Perspektiven auf aktuelle Herausforderungen

Besonders spannend war der Vergleich mit den USA. Dort stehen häufig „Equity“ und „Race“ im Vordergrund, während in Europa nationale Besonderheiten dominieren. Demografische Situationen, historische Entwicklung und Erbe und politische Rahmenbedingungen variieren stark. Doch die Kernbotschaft bleibt gleich: Kein Unternehmen kann es sich leisten, Talente brachliegen zu lassen oder Unterschiede nicht für Innovation oder Wachstum zu nutzen. Der europäische Kontext verdeutlicht, dass ohne kulturelle Verankerung selbst gut gemeinte Initiativen verpuffen können.

Fazit: Von Erkenntnissen zu Fortschritt

Am Ende blieb eine einfache, aber zukunftsstarke Botschaft: DE&I muss als Wertschöpfungsprozess gedacht und umgesetzt werden. Wer die gewünschten Ergebnisse definiert und Vielfalt systematisch in Unternehmensprozesse integriert, führt seine Organisation von guten Absichten zu messbarer Wirkung. Für die MBA-Studierenden war dies nicht nur ein europäischer Vergleich, sondern auch ein Impuls, wie sie selbst als künftige Führungskräfte Inklusion als strategischen Hebel für Wirtschaft und Gesellschaft gestalten können.