Die Welt lacht über „Christina Street Day“

Die Kontroverse um den diesjährigen Christopher Street Day (CSD) in München ist wohl eines der anschaulichsten Beispiele dafür, wie sehr eine eigentlich gut gemeinte Idee in die völlig falsche Richtung driften kann. Um die Sichtbarkeit lesbischer Frauen beim Münchener CSD zu erhöhen, haben sich die Veranstalter in diesem Jahr etwas ganz besonderes einfallen lassen: der Christopher Street Day sollte einmalig Christina Street Day heißen, da nach Ansicht der Organisatoren schwule Männer zu sehr im Fokus der Betrachtung stünden und somit Lesben und Transgender in den Hintergrund geraten.

Rosa-Liste-Stadtrat und Münchener CSD-Sprecher Thomas Niederbühl beklagt sich auf der Homepage des CSD München über die Ausgrenzung von Lesben durch die Medien, welche nach seiner Ansicht lediglich von einer „durch das Schwulenviertel ziehenden Schwulenparade“ berichten und auch bei politischen Themen eher von Schwulenehen oder fehlende Adoptionsrechte schwuler Paare schreiben. Um, wie Niederbühl meint, „die Öffentlichkeit charmant und provokant auf dieses Ungleichgewicht hinzuweisen“, sollte die Parade also in diesem Jahr einen weiblichen Namen tragen. Ein fataler Versuch, wie sich schnell herausstellte, denn der öffentliche Widerstand auf die Namensänderung war enorm: auf der einen Seite wird von der Verunstaltung eines historisch bedingten Ereignisses gesprochen, da der Name Christopher Street auf dem Namen der Straße beruht, in der die ersten großen Schwulenproteste den USA begannen. Andererseits wurde auch eine Debatte über sprachliche und mediale Gleichstellung von Männern und Frauen entfacht.

So entstanden im Kielwasser der Debatte eine Reihe von Stilblüten, wie den Münchener Marienplatz in Josefsplatz, die Frauenstraße in Frauen/Männer-Straße, die Müllerstraße in Müller/-innenstraße oder die Stadt Frankfurt in Franziskafurt umzubenennen. Diesen, nicht ganz ernst gemeinsten Vorschlägen  ist eins gemeinsam – sie verdeutlichen die in der deutschen Sprache existierende Gender-Schieflage. Sie, die Sprache ist nicht weiblich, sondern unstrittig männlich geprägt und wird nicht nur von den Medien, sondern selbst auch in Diversity-Broschüren, „der Einfachheit halber“ auf männliche Formen reduziert. Auch dieser Newsletter verwendet fallweise nur männliche Formen, versucht dies jedoch zu vermeiden. Insofern ist die Idee Niederbühls, auf mediale Ungleichbehandlung von Frauen aufmerksam machen zu wollen, nicht nur berechtigt, sondern sie gelang ihm zumindest durch die Entfachung der Diskussion. Die heftige Kritik an dem Vorschlag zeigt jedoch auch, dass die Namensänderung eines auf historischen Ereignissen beruhenden Events kein probater Anlass für sprachliche Gleichstellung darstellt. Möglicherweise können die Veranstalter durch ihre Mottowahl hier gegensteuern? Der Christopher Street Day heißt übrigens nur in Deutschland so – im Rest der Welt, auch in den USA und Großbritannien wird es „Gay Pride“ genannt. Dies könnte freilich ebenso Anlass für sprachliche Diskussionen sein.