Der positive ökonomische Effekt von Diversity (Gastvortrag Izmir University)
Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Economics of Gender“ an der Izmir University of Economics stellte Michael Stuber den Studierenden ein europäisches Modell von DE&I als Wertschöpfungsprozess vor.
Vielfalt im ökonomischen Kontext
Im April 2022 war ich als Gastdozent zur Veranstaltung Economics of Gender an der Izmir University of Economics eingeladen. Der Kurs behandelt die Verflechtung von Geschlecht, sozialer Entwicklung und ökonomischer Theorie. Vor diesem Hintergrund stellte ich eine europäische Perspektive auf Diversity, Equity & Inclusion (DE&I) vor – und plädierte dafür, Vielfalt nicht nur als moralische oder politische Option, sondern als Treiber messbarer Wertschöpfung in Organisationen und Volkswirtschaften zu begreifen.
Vielfalt über Kategorien hinaus
Ein zentrales Element meines Vortrags war es, über die Fokussierung auf Geschlecht, Ethnie oder Alter hinauszugehen. Diese Dimensionen waren, sind und bleiben wichtig, doch ein unternehmerisch verstandenes DE&I-Modell umfasst auch Kompetenzen, Arbeitsstile, Führungsverhalten und Zusammenarbeitspräferenzen. Vielfalt bedeutet in diesem Sinne nicht nur Repräsentation, sondern umfasst Unterschiede, die – richtig adressiert – zu Vorteilen werden.
Das Ziel vor Augen
Ich forderte die Studierenden auf, „rückwärts“ zu denken: Welche Ergebnisse wollen wir mit DE&I erreichen? Geht es um bessere Entscheidungen, stärkere Innovationskraft oder höhere Resilienz? Wenn diese Ziele zuerst klar definiert sind, können Strategien und Maßnahmen systematisch darauf ausgerichtet werden. Allzu oft bleiben Policies oder Awareness-Initiativen an der Oberfläche und erzeugen Sichtbarkeit ohne Wirkung. Ein zielorientierter Ansatz versteht DE&I dagegen als Wertschöpfungskette: von Unterschieden zu Offenheit, von Inklusion zu konkreten Ergebnissen.
Von besten Absichten zu systemischer Wirkung
In der Diskussion wurde auch die Grenze effektvoller Aktionen besprochen. Kampagnen, Aktionstage oder Compliance-Instrumente sind wertvoll, verändern aber selten die Organisationskultur. Der logische nächste Entwicklungsschritt von DE&I muss darin bestehen, Inklusion in Strukturen und Mechanismen einzubetten: Rekrutierung, Entwicklung, Führung und tägliche Arbeitskultur. Erst diese systemische Integration – und nicht punktuelle Einzelmaßnahmen – erzeugt nachhaltige Kulturveränderung und messbare Performance-Effekte.
Eine europäische Stimme in der globalen Debatte
Besonders interessiert zeigte sich die Klasse an den europäischen Rahmenbedingungen. Während die Debatte in den USA stark auf „Equity“ und Rassismus fokussiert ist, begegnet Europa einer Vielzahl nationaler Realitäten mit unterschiedlichen historischen Erfahrungen, demografischen Entwicklungen und institutionellen Rahmen. Doch der Kern bleibt gleich: Unternehmen können es sich nicht leisten, Talente brachliegen oder Produktivitätsgewinne aus Vielfalt ungenutzt zu lassen. Europas Beitrag liegt darin, kontextsensible Ansätze zu entwickeln, die DE&I relevanter und wirksamer machen.
Fazit: Akademische Einsichten mit Praxisnutzen
Am Ende stand eine klare Botschaft: DE&I darf kein Nebenschauplatz sein, sondern muss als Treiber organisationaler und ökonomischer Entwicklung verankert werden. Für die Studierenden in Izmir verband der Gastvortrag ökonomische Theorien zu Gender mit den praktischen Realitäten von Unternehmensstrategie und Kulturtransformation. Die zentrale Erkenntnis: Richtig eingebettet, geht es bei DE&I nicht nur um Fairness, sondern auch um handfeste Vorteile für Individuen, Organisationen und Gesellschaft insgesamt.