DEI-Führungs-Gaps im Unternehmen verstehen und schließen
Früher bestand DEI Führung vor allem darin, „den Ton von oben“ vorzugeben. In einem zunehmend komplexen – und polarisierten – Umfeld sehen wir einen breiteren Bedarf. Andererseits bringt ein allzu “persönlich“ geprägtes Engagement für DEI unerwünschte Nebeneffekte mit sich. (Alle) Führungskräfte sollten daher folgendes tun.
Wenn ManagerInnen einen Konflikt oder Polarisierung beobachten, werden sie sich mit dem betreffenden Thema intensiv beschäftigen und dann entscheiden, für eine Seite einzutreten oder sich herauszuhalten. Eine klare Position zu beziehen, setzt voraus, die Bedeutung des Themas zu erkennen, während Zurückhaltung signalisiert, dass es nicht wirklich relevant ist. In der aktuellen Situation ist es daher dringend erforderlich, das WARUM von DEI erneut zu überprüfen.
Gründe für die DEI-Führung erkunden
Die Frage „Warum DEI“ kann aus verschiedenen Perspektiven beantwortet werden, z.B. aus Sicht der Unternehmensidentität und -werte oder der aktuellen Business-Agenda sowie des Umfelds einer Organisation. Manager sollten zudem ihr jeweiliges Portfolio betrachten, um die Relevanz von DEI zu untersuchen. Ich habe dies bereits in diesem Beitrag und den darin erwähnten Artikeln beschrieben.
Andererseits gilt ein klares persönliches Bekenntnis zu DEI als wichtige Grundlage für das Thema. Aktuell verstärken jedoch weibliche, LGBT- oder POC/BAME-Verfechter von DEI die interessensgeleitete Wahrnehmung des Themas und die Lagerbildung. Dies bedeutet keineswegs, dass persönliche Motivation reduziert werden sollte. Der Führungs-Gap muss vor allem durch die Einbeziehung des oberen und des Top-Managements erfolgen, die vielleicht keine eigenen persönlichen, dafür aber sachliche Gründe für ihr Engagement haben.
DEI aus Führungssicht (das Was)
Anfangs erschien es wichtig, dass alle, einschließlich der oberen Führungskräfte, eine DEI Botschaft vermitteln. Heute sehen wir die Notwendigkeit, dass Führungskräfte dem Grundverständnis von DEI zusätzlichen Kontext verleihen. Dies gilt für Führungskräfte mit oder ohne persönlichen Zugang zu DEI.
Conditio sine qua no: Sinnstiftung
Jede Führungskraft sollte in der Lage sein, die Sinnstiftung für DEI im jeweiligen Kontext zu untersuchen und ggf. zu formulieren. Sinnstiftung bildet weiterhin eine zentrale Führungsaufgabe, umso mehr für DEI im Unternehmen. Denn der öffentliche Diskurs betont Repräsentationsquoten (bezügl. sichtbarer Vielfalt) und Kommunikations- bzw. Verhaltensregeln. Dies ist unglücklich weit entfernt vom ursprünglichen D&I-Ansatz als mehrwertstiftender Umgang mit Vielfalt und von betrieblichen Realitäten.
Vielfältige Prioritäten miteinander verbinden
DEI mit anderen Prioritäten und Initiativen effektiv zu verknüpfen bildet eine wichtige Aufgabe für Führungskräfte, da dies die Sinnhaftigkeit von DEI stärkt. Dies ist in den meisten Fällen recht einfach und schafft Konsistenz und oft auch Synergien. Am unmittelbarsten geschieht dies bei Wachstum, Transformation/Veränderung, Fachkräftebedarf, End-to-End-Modellen oder Produktivitätsthemen. DEI als eigenständiges Ziel oder Selbstzweck darzustellen, ist in einem polarisierten oder unter Druck stehenden Kontext dagegen nicht sinnvoll. Die vergangenen acht Jahre haben dies mehr als deutlich gezeigt.
Gelebte DEI Führung (das Wie)
Führungskräfte als Vorbilder für DEI: diese Mantra wird ebenso häufig beschworen wie es eine leere Phrase bleibt. Angesichts des wachsenden Bedarfs an konstruktiver Führung sollten wir unser Verständnis und die damit verbundenen Erwartungen an das Konzept überdenken. Vor zehn oder zwanzig Jahren gaben wir Managern eine DEI Checkliste an die Hand. Aufgrund der zwischenzeitlich zahlreichen DEI Themen und Beteiligten – darunter Nachhaltigkeit, Postkolonialismus und 160 Formen von Unconscious Bias – wurden die DEI Vorbildfunktion extrem facettenreich und damit unscharf oder unüberschaubar. Daher wird es immer Situationen oder Aspekte geben, in denen jemand ein Verhalten als inkonsistent oder unangemessen empfindet.
Explizites vs. implizites Vorbildverhalten
Zum Vorbildverhalten gehört (angeblich) das eloquente Sprechen – mit perfekter Wortwahl – über vielfältige Themen oder die Teilnahme an Themenevents, gerne an ungewöhnlichen Orten. Aktuell halte ich diesen Ansatz für nicht zielführend, zumal wenn wir Trennung überwinden und Menschen zusammenzubringen wollen. Stattdessen besteht ein enormer Bedarf darin, DEI neu zu positionieren, so dass es für ein größeres Publikum zugänglich wird und Unternehmenskulturen sowie Zusammenarbeit auf gesunde Art und Weise stärkt.
Davon abgesehen gibt es viele tägliche Gelegenheiten, bei denen Führungskräfte DEI implizit vorleben können: Das Aufstellen von Projektteams, das Loben von Erfolgen in der Fläche; wie dies gestaltet, umgesetzt oder kommentiert wird kann den Wert von DEI zeigen. Außerdem gibt es kritische Situationen, in denen eine Führungskraft die Zukunftsfähigkeit von Kulturen und Verhaltensweisen betonen sollte – und damit den Wert von DEI.
Die langfristige Entwicklung der Geschäftswelt
Viele Organisationen – und sogar Gesellschaften – haben das Gefühl, an einem Scheideweg zu stehen und sich entscheiden zu müssen, ob sie
- weiter auf internationale Märkte, digitalen Fortschritt und die besten, zunehmend vielfältige Talente setzen oder
- zu Modellen zurückkehren, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, einschließlich nationaler, geschützter, homogener und linearer Geschäftsmodelle vor Ort.
Meine Arbeit mit Unternehmen zeigt, dass diese Wahl nur scheinbar besteht. Aktuelle Wachstums- und Finanzziele lassen sich nicht mit Ansätzen erreichen, die vor Jahrzehnten nationale Branchenführer hervorgebracht haben. Und selbst wenn sich Unternehmen für eine Fokussierung auf kleine Märkte entscheiden, ihre Lieferketten und Stakeholder (oder Shareholder) blieben international und erfordern die Fortsetzung des derzeitigen Wandels.
Momente der Wahrheit
In dieser Hinsicht erleben Führungskräfte Momente der Wahrheit, die u. a. Themen wie flexibles Arbeiten, Kostenmanagement oder Wachstum betreffen.
- Die Einsicht, dass Wertschätzung von Vielfalt, die Zugehörigkeit fördert, eine der direktesten Möglichkeiten ist, Produktivität zu optimieren und damit Kosten zu senken. Druck hingegen erzeugt Ängste und Unsicherheit, die zu einer Erosion von Engagement und zu einem Anstieg der Fehlzeiten führen.
- Flexibles Arbeiten als natürliche Entwicklung der Arbeitswelt zu verstehen, die sich von ortsunabhängiger Arbeit im Vertrieb bis ortsgebundener Arbeit in der Produktion erstreckt. „Back to the office“ ist dabei ein Indiz für Kontrollwut (und Misstrauen) und in Unternehmen anzutreffen, die eigentlich keine Interesse daran haben, Produktivität zugunsten persönlicher Vorlieben zu verschwenden.
- Wachstum erfordert die Erweiterung unseres Geschäftsmodells und –gebiets wie auch unserer Geisteshaltung. Denn neue Kunden und Märkte, neue Produktionsstandorte oder neue Produkte oder Dienstleistungen erfordern ein neues Selbstverständnis des Unternehmens. Einfache Exportmodelle funktionierten, als die Welt noch nicht vernetzt war – heutzutage braucht es integrative Wachstumsansätze.
Führungskräfte als Wegbereiter der Zukunft
Die Betrachtung des DEI-Führungs-Gaps zeigte grundlegende Zusammenhänge zwischen DEI und Führung auf, die für alle Führungskräfte gleichermaßen bedeutend sind. Sie sind entscheidend für eine neue, nüchterne Betrachtung von DEI in einem dynamischen Geschäftsumfeld.
Haltungen und Entscheidungen zu DEI sollten auf ähnlich belastbaren Informationen und Überlegungen beruhen wie zu andere Themen. Daher sollten Unternehmen (und Manager) den persönlichen oder politischen Beigeschmack in DEI reduzieren, der zu Polarisierung geführt hat.
Unternehmen brauchen auf das Miteinander verschiedener Talente und Kenntnisse, die stets mit vielfältigen Persönlichkeiten, Hintergründen und Identitäten einhergehen. Dieses Miteinander erfordert gemeinsame Werte und Ziele, die – theoretisch – meist vorhanden sind. Ein neuer Fokus hierauf stärkt Zusammengehörigkeit und fördert gemeinsame Leistungsbereitschaft.
Dazu passende Beiträge
DEI-Führungs-Gaps im Unternehmen verstehen und schließen
Persönlicher Rückblick auf die Zukunft Europas #EFA24
The C-Suite and Diversity: A different story
Deutsche Welle TV: Bold Corporate RacialEquity Moves, also in Europe?