Blickwinkel: Medialer Schlagabtausch zur Aufsichtsratsquote

Nach der jahrelangen Quotendebatte über Frauen in Spitzenpositionen kann wohl niemand mehr behaupten, nichts über diese Diskrepanz zu wissen. Ob es allerdings eine politische Frage der Teilhabe sein sollten, Frauen einen angemessenen Anteil von Positionen „zu geben“ oder eine wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme wäre, dies über faire und transparente Prozesse zu erreichen, darüber streiten sich weiterhin ExpertInnen und beteiligte Entscheidungsträger. Der konkretisierte Plan der Großen Koalition, eine 30-prozentige Frauenquote in deutschen Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen einzuführen, ließ jüngst wieder einmal zwei Positionen aufeinander prallen: Die Präsidentin der Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ (FidAr), Monika Schulz-Strelow, und der Headhunter Heiner Thorborg, der mit „The Female Factor“ eine Personalberatung betreibt, die sich um die Vermittlung hochqualifizierter Frauen kümmert.

In einem Gastbeitrag im manager magazin online vertrat der Thorborg Anfang März die These, dass es nicht ausreichend qualifizierte Frauen gäbe, um die 30 Prozent in den Aufsichtsräten überhaupt in den nächsten Jahren besetzen zu können; es handelt sich nämlich immerhin um rund 260 Stellen in 160 Unternehmen. Wer in den Aufsichtsrat möchte, solle bereits ein Unternehmen geleitet haben, behauptet Thorborg gegenüber der erstaunten Leserschaft. Er sähe derzeit kaum Frauen in den großen deutschen Unternehmen, die diese Qualifikation erfüllen.

Diese Position kann die FidAR Präsidentin verständlicherwesie nicht gelten lassen. Schulz-Strelow antwortet im manager magazin, dass durchaus eine Generation von Führungsfrauen und Unternehmerinnen herangewachsen sei. An mangelnder Führungserfahrung könne es nicht liegen; statt Schutzargumente vorzubringen, sollten sich Unternehmen vielmehr fragen, wo die vielen qualifizierten Frauen der unteren und mittleren Ebenen stecken blieben. Ein Blick auf die internen Karrierewege und die Analyse der gläsernen Decke helfe da. Frauen seien in jedem Fall nicht weniger zur Führung bestimmt als Männer, strukturelle Hindernisse und die alten Einstellungen der Führungsschicht der „Deutschland AG“ erklären laut Schulz-Strelow die Abwesenheit von Frauen in vielen Aufsichtsräten.

Beide Positionen erscheinen deutlich interessengeleitet: Thorborg verdient sein Geld mit der Karriereentwicklung von Frauen und FidAR wird seit Jahren vom BMFSFJ gefördert, so dass politische Argumente hier sozusagen kontextgegeben sind. „Die Aufsichtsratsfähigkeit zu erlangen ist keine Hürde,“ weiß Michael Stuber, der Podiumsdiskussionen mit AufsichtsratskandidatInnen moderiert hat, „ein Blick auf die geschlechtsgemischte Arbeitnehmerseite der Aufsichtsräte zeigt dies“.  Und dass es für Aufsichtsratspositionen ‚traditionelle Führungserfahrung’ bräuchte kann Stuber auch nicht erkennen. Sachverstand und Weitblick sowie ein starkes Wertefundament seien hier wichtigere Qualitäten als ‚Dominanzstreben’, so der Experte in gewohnt pointierter Weise.

Neben dem verbalen Schlagabtausch zu Fragen um Frauenfeindlichkeit, Chauvinismus und Scheinargumenten wirft die Debatte erneut die Frage auf, ob eine Quote letzlich hilft. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, hatte bereits Anfang März angemahnt, dass eine Quote von 30 Prozent für manche Branchen mit einem weiblichen Belegschaftsanteil von weniger als 20 Prozent unrealistisch sei. Ungleich schwerer wiegt jedoch sein Einwand, dass eine Quote lediglich die Symptome, nicht aber die Ursachen von schlechteren Karrierechancen für Frauen bekämpfe. Unglücklicherweise nennt er als Beispiel die immer noch unzureichende Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Schade, denn ohne dieses Stereotyp hätte man den DIHK als Überraschungskandidaten für die Vermitllerposition im Dogmenkampf vorschlagen können.