Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Verbreitete Diskriminierung in Bildung und Beschäftigung
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat in einem 450-seitigen Bericht festgestellt, dass Diskriminierung im Bildungsbereich und Arbeitsleben zum traurigen Alltag vieler Betroffener gehört. Der dem deutschen Bundestag vorgelegte Bericht analysiert die Diskriminierung anhand der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) genannten Dimensionen (ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung, sexuelle Identität, Alter, Behinderung und Geschlecht) sowie darüber hinaus Benachteiligungen aufgrund der sozialen Herkunft. Für den Bericht wurden wissenschaftliche Studien ausgewertet und eigene Untersuchungen durchgeführt, beispielsweise eine Umfrage unter 1.500 SchülerInnen und Studierenden. Da bei Diskriminierung stets von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen wird, sind die gewonnen Zahlen nicht belastbar.
Die Benachteiligungsrealität beginnt für viele bereits im Kindergarten, wo der Bericht eine Segregation nach Migrationshintergrund, Behinderung oder auch sozialer Herkunft feststellt, letzteres auch bedingt durch geographische Trennungen. Diese Segregation setzt sich in der Grundschule mit unterschiedlichen Weiterempfehlungen für weiterführenden Schulen fort. Die Leistungen der SchülerInnen mit Migrationshintergrund werden weiterhin nicht mit gleichen Maßstäben bewertet und sie bekommen immer noch seltener eine Gymnasialempfehlung als ihre deutschen MitschülerInnen. Besonders muslimische Mädchen mit Kopftuch werden laut deBericht häufig unterschätzt. Insgesamt beklagen 25% der SchülerInnen mit Migrationshintergrund bereits diskriminiert worden zu sein.
Nicht nur das Verhältnis von LehrerInnen und SchülerInnen ist betroffen, auch unter den SchülerInnen kommt es zu Diskriminierungen aufgrund vielfältiger Faktoren. Beleidigungen auf dem Schulhof aufgrund der sexuellen Orientierung, einer Behinderung oder der sozialen Herkunft sind an der Tagesordnung und rufen bei den Betroffenen große Angst und Unsicherheit hervor, die unter Umständen die Leistungen und das Selbstvertrauen stark mindern.
Auch in den schulischen Strukturen beschreibt der Bericht anhaltende Defizite. Mit Hamburg und Niedersachsen versuchen lediglich zwei Bundesländer dem Anspruch behinderter SchülerInnen auf inklusiven Unterricht an den Regelschulen gesetzlich nachzukommen. Dieser ist zwar in der UN-Behindertenrechtskonvention festgelegt, wird aber zu oft unter Finanzierungsvorbehalten verzögert. Die Finanzierung ist auch ein häufiger Grund für Probleme von Studierenden an den Hochschulen. Zwar kommt immerhin die Hälfte der Studierenden aus Nicht-Akademiker Familien, die soziale Herkunft und der damit verbundene Geldmangel führt allerdings häufiger zum Abbruch des Studiums.
Die Diskriminierung aus der Schul- und Studienzeit setzt sich im Arbeitsleben fort, weswegen der Bericht diesem Aspekt ein eigenes Kapitel widmet. Eine Auswertung der eingehenden Beschwerden bei der Antidiskriminierungsstelle zeigt, dass sich die meisten Anfragen um den Zugang zum Arbeitsleben drehen, gefolgt von den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen. Hier sind beispielsweise der Karriereaufstieg, Mobbing am Arbeitsplatz und die Entgeltungleichheit häufige Phänomene. Auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere ungerechtfertigte Kündigungen werden häufig genannt. Etwa die Hälfte aller Anfragen bezieht sich auf die Dimensionen Alter und Geschlecht, weitere 20 Prozent entfallen auf die Dimensionen Behinderung und ethnische Herkunft.
Zur Bekämpfung der Missstände gibt die Antidiskriminierungsstelle den Kultusministerien die Empfehlung, unabhängige Beschwerdestellen für diskriminierte Schüler und Studierende einzurichten. Auch die Aufnahme eines wirksamen Diskriminierungsschutzes auf Basis des AGG in die Landesbildungsgesetze erscheint dringend notwendig. Zwar ist in vielen Gesetzen bereits ein Schutz verankert, zumeist fehlt es aber an konkreten Definitionen diskriminierender Handlungen; die (Beschwerde-) Wege sind zudem oftmals nicht definiert und somit juristisch schwer umsetzbar. Zudem müssten die Schulen und Hochschulen wie auch die Unternehmen die Vielfalt des Personals fördern, da gerade das Lehrpersonal – bzw. das Management – zumeist zu homogen ist. Für Betriebe empfiehlt der Bericht die kritische Überprüfung ihrer Unternehmenskultur, zudem müssen die betriebsinternen Beschwerdestellen mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet werden um effektiv helfen zu können.