Kommission der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gibt Empfehlungen zu sexualisierter Belästigung, Geschlechterdiskriminierung und deckt Trans- und Intersexualität als Gender-Themen ab
Mehr Schutz vor sexualisierter Belästigung am Arbeitsplatz, Abbau von Benachteiligungen trans- und intergeschlechtlicher Menschen und ein effektives Gesetz zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern – das sind die Hauptforderungen der von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingesetzten unabhängigen Kommission „Gleiche Rechte – Gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“. Als Novum muss angesehen werden, dass eine Gender-Kommission die Themen Trans- und Intersexualität mit abdeckt.
Die Kommission unter dem Vorsitz von Prof. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, sowie dem Regierenden Bürgermeister von Berlin a.D., Klaus Wowereit, mahnte vor allem eine Stärkung der Rechte von Betroffenen an. So plädieren die ExpertInnen mehrheitlich für eine Anhebung der „extrem kurzen“ Fristen, innerhalb derer nach einer Diskriminierung Ansprüche auf Entschädigung und Schadenersatz geltend gemacht werden müssen: von zwei auf sechs Monate. Außerdem spricht sich die Kommission mehrheitlich für ein Verbandsklagerecht (Prozssstandschaft) aus, damit anerkannte Verbände für Betroffene den Klageweg beschreiten können. Derzeit müssten Menschen, die gegen Diskriminierung gerichtlich vorgehen wollen, dies in der Regel allein bewältigen.
Diese Empfehlung bezog sich auf den Schwerpunkt „Sexualisierte Belästigung in Erwerbsarbeit und Ausbildung“. Dabei ist nicht erkennbar, weshalb nicht alle Formen von Ansprüchen bezüglich aller Dimensionen des AGG abgedeckt werden sollten. Die Kommission hatte sich freilich auftragsgemäß im Rahmen des Themenjahres der Antidiskriminierungsstelle „Gleiches Recht. Jedes Geschlecht.“ bewegt. In dieser Hinsicht ist es bemerkenswert, dass die Themen Trans- und Intersexualität mit abgedeckt wurden. Über Jahrzehnte hinweg waren diese Teil des Portfolios „sexuelle Minderheiten“ – heute mit der Abkürzung LGBTII.
Trans*- und intergeschlechtliche Menschen haben nach Angaben der Kommission im gesamten Lebensverlauf mit besonders starken Benachteiligungen zu kämpfen. Das Recht auf Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität und der Schutz vor Diskriminierung und Gewalt seien Grund- und Menschenrechte, betonten die Fachleute. Die Politik müsse daher den Rahmen dafür schaffen, dass die Rechte aller Menschen geachtet und geschützt sind. Die Kommission rät dazu – recht allgemein und unverbindlich – zu einer besseren Förderung von Selbstorganisationen, Projekten und Initiativen sowie Fortbildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen. Landesgleichstellungsgesetze und das Bundesgleichstellungsgesetz sollten explizit die Belange von trans*- und intergeschlechtlichen Menschen beachten. Klare rechtliche Änderungen empfiehlt die Kommission ebenfalls: So unterstützt sie die Forderung des Deutschen Ethikrats, eine Kategorie „anderes“ in das Personenstandsrecht einzuführen, die in jedem Lebensalter selbstbestimmt gewählt werden dürfe. Für transgeschlechtliche Menschen müsse es klare Erleichterungen bei den Möglichkeiten zur Anpassung des Vornamens und des Personenstands geben, so die Kommission. Für einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt brauche es außerdem ein Recht auf eine rückwirkende Änderung des Vornamens z. B. in Ausbildungszeugnissen und Abschlüssen.
Auch in den deutlichen Entgeltunterschieden zwischen den Geschlechtern sehen die Fachleute mehrheitlich eine Benachteiligung, die einer gesetzlichen Regelung bedarf. „In Deutschland verdienen Frauen durchschnittlich 22 Prozent weniger als Männer, wir zählen damit zu den Schlusslichtern in Europa“, sagte Wowereit. Hier müsse ein Entgeltgleichheitsgesetz ansetzen – „und es muss wirksam sein.“
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, reagierte freundlich auf den Bericht der von ihr eingesetzten Kommission. Für die Umsetzung der Empfehlungen zählt sie „auf die Unterstützung von Politik und Tarifparteien“. Das AGG, das die Existenz der Antidiskriminierungsstelle vorsieht, hat sich laut Lüders „in den letzten fast zehn Jahren bewährt“. Die Empfehlungen der Kommission zeigten aber, dass es „Überarbeitungsbedarf gibt“. Internationale Vergleiche bestätigen dies seit langem und Experten weisen immer wieder darauf hin, dass schon der Name des AGG irreführend und weichspülend sei. In nahezu allen anderen EU Staaten wurden die „Anti-Diskriminierungsrichtlinien“ der EU unter diesem deutlichen Label umgesetzt.
Den Bericht der Kommission „Gleiche Rechte – Gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ finden Sie auf http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Handlungsempfehlungen_Kommission_Geschlecht.html;jsessionid=BA76D694546ECB5BBCD8726BD00B5147.2_cid340?nn=6575434