NORMEN SIND ANSTRENGEND – AUCH DIE COOLEN
In Deutschland besteht eine deutliche Abneigung gegenüber gesetzlichen Regelungen. Kein Wunder, da die deutsche Kultur ohnehin von Normen und dem Konzept „Ordnung“ geprägt ist. Ausbruchversuche stehen daher regelmäßig an – vor allem bei der jeweils jungen Generation. Die verwegene Camping-Welle der 1960er Jahr e versprach zum Beispiel die Befreiung von städtischer Enge und häuslichem Muff. Aber die Deutschen unterschätzten sich selbst. In kürzester Zeit reproduzierten die braven Bürger das, was sie kannten und gewohnt waren: Gardinen, Tischdecken, Balkonpflanzen. Sogar der Jägerzaun grenzte schon bald das Eigene vom Fremden ab und Plastikmatten schützten vor allzu viel Naturnähe. Rasch hatte der normative Terror – inklusive sozialer Kontrollen – den Traum von Freiheit eingeholt, ja sogar überholt. Der aktuelle Fluchtversuch aus den Zwängen der Alltagskultur führt ebenfalls zu dauerhaften Anstrengungen anders sein zu wollen: Cool zu sein steht bei der vieldiskutierten Generation Y über allem. Dazu gehört – das war schon früher so – sich über Konventionen hinweg zu setzen. So wurden die Haare lang und scheinbar unordentlich, die Klamotten weit und schräg hängend. Die passende Haltung dazu – körperlich wie geistig: entspannt. Einziger Schönheitsfehler hierbei: Dieses Coolsein ist anstrengend. Sehr anstrengend sogar, denn wie schon bei den Punks der 1970er Jahre erfordert es auch heute lange, harte Arbeit verwegen auszusehen und möglichst genau dem gewünschten Bild zu entsprechen. So endet auch das aktuelle Aufbegehren gegen Normen in neuen Zwängen und in neuerlicher Anpassung an den Standard des Unkonventionellen. Dass Normen täglich anstrengend und für die eigene Entfaltung hinderlich sind, erkennen Männer und Frauen im Alltag. Ebenso differenziert wie konkret sind die Erwartungen „der Gesellschaft“ (also von uns allen), wie Geschlechterrollen zu erfüllen sind. Dabei fügen sich neue Anforderungen zu den bestehenden hinzu, so dass immer komplexere Gebilde entstehen. Gerade Männer wehren sich gegen die Überfrachtung des Wunschprofils „moderner Mann“, aber auch Frauen zeigen wenig Neigung, immer mehr Erwartungen des Umfeldes zu erfüllen. Wie schön wäre es doch, wenn wir andere so lassen könnten wie sie sind und selbst so sein könnten wie wir sind oder sein wollen!
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