Vielfältige Gründe für Einfalt im Topmanagement
Dass die gesetzlich verankerte Gleichstellung von Mann und Frau in der Realität weitgehend ein frommer Wunsch bleibt, belegen unzählige Statistiken und Studien. Die Gründe für den drastisch unterproportionalen Anteil z. B. weiblicher Manager sind dagegen immer noch wenig erforscht. Daher hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Heidelberger Unternehmen Sinus Sociovision damit beauftragt, die Ursachen für die Vorbehalte gegenüber weiblichen Führungskräften zu beleuchten. Unter der Leitfrage „Wie sehen Sie Frauen, die in Führungspositionen sind oder auf dem Weg dorthin?“ befragte das Forschungsteam um den Soziologen Carsten Wippermann 40 männliche Führungskräfte aus der deutschen Wirtschaft.
In den Gesprächen wurde deutlich, dass die Anerkennung und Gleichstellung weiblicher Führungskräfte nur vordergründiger Natur sind. Betonten die Befragten zu Beginn noch die besonderen Qualitäten des anderen Geschlechts „kamen die Männer sehr bald darauf zu sprechen, was alles gegen Frauen spricht“, bemerkte Gesellschaftsforscher Wippermann. Am häufigsten wurde die Unfähigkeit, Beruf und Familie zu vereinen, bemängelt. Weiterhin würde es Frauen des Topmanagements an Glaubwürdigkeit fehlen. Basierend auf den Aussagen der befragten Manager erstellte das Forschungsteam drei verschiedene Typen von Männern mit Vorbehalten gegenüber weiblichen Führungskräften.
Männer des ersten Typus sind konservativ und lehnen weibliche Führungskräfte allein wegen ihres Geschlechts kategorisch als „Störfaktor in der Führungsriege“ ab. Typ zwei respektiert die Frau als solche, bemängelt jedoch die für das Topmanagement nötige „Wandlungsfähigkeit“ von Frauen. Sie sind der Meinung, die gesellschaftliche Erwartungshaltung gegenüber einer Frau hindere sie daran, erfolgreich ein Unternehmen zu führen. Die dritte Kategorie von Männern hat „eigentlich keine Vorbehalte“ gegen weibliche Chefs. Vielmehr machen sie die Frauen für die derzeitige Situation verantwortlich. Demnach seien nicht die Männer Schuld an der geringen Frauenquote auf den Führungsebenen. Stattdessen sei nur ein Bruchteil aller Frauen überhaupt gewillt, die mit den entsprechenden Jobs verbundenen Belastungen auf sich zu nehmen.
„Diese drei Denkmuster gibt es oft in ein- und demselben Unternehmen, sie wirken dadurch insgesamt wie ein Sperrriegel gegen Frauen in Führungspositionen“, so Wippermann. Trotz der geringen Fallzahl bestehen die Ergebnisse den Praxistest, wie Diversity-Experte Michael Stuber kommentiert: „Die Typologie deckt sich mit den unternehmenskulturellen Bestandsaufnahmen der letzten zehn Jahre,“ so der Praktiker. Es seien tatsächlich die Vorbehalte und Fehlannahmen der männlichen Entscheider, die Frauen eine Entfaltung ihrer Potenziale praktisch unmöglich mache. Stuber hält daher die verbreiteten Trainings und andere Programme speziell für Frauen für wenig zielführend. Statt dessen empfiehlt er die Arbeit mit männlichen Führungskräften.
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