Tradition trifft Vielfalt: Rotary Vortrag zu DE&I
Rotary galt lange als Gegenentwurf zu Vielfalt – exklusiv, elitär, männlich geprägt. Heute bekennt sich die Organisation zu DE&I. Vor diesem Hintergrund stellen sich Fragen zu Relevanz, Resilienz und die Zukunft inklusiver Führung.
Ein spannender Rahmen für verschiedene Perspektiven
Im November 2023 hatte ich die Gelegenheit, bei einem der vielen Rotary Clubs in Europa zum Thema „Wie DE&I Organisationen relevant (und resilient) macht“ zu sprechen. Der Kontext war bemerkenswert: Rotary, eine globale Organisation mit über 100 Jahren Tradition, wurde lange als exklusives Netzwerk wahrgenommen – männlich dominiert, elitär und fern von dem, was wir heute unter Diversity verstehen. Inzwischen hat Rotary jedoch klare Prinzipien zu Diversity, Equity & Inclusion (DE&I) verabschiedet und wirbt weltweit für eine inklusivere Kultur.
Genau in diesem Spannungsfeld durfte ich sprechen – nicht, um Wohlfühlbotschaften zu wiederholen, sondern auch um unbequeme Fragen zu diskutieren, die entstehen, wenn Tradition auf Transformation trifft.
Jenseits der Symbolik
Ich begann mit einem Vergleich: Bunte Aktionen und symbolische Bekenntnisse zu Vielfalt sind wichtig, verändern aber selten die Realität. Kampagnen, Aktionstage oder Compliance-Maßnahmen signalisieren Offenheit, doch oft fehlt der nächste Schritt. Meine Fragen lauteten: Machen diese Schritte Organisationen wirklich relevanter? Machen sie sie resilienter? Die Antwort lag im Wertschöpfungsprozess von DE&I. Mein Potenzial-Prinzip beschreibt, wie aus Unterschieden, kombiniert mit Offenheit und Einbeziehung konkrete, messbare Mehrwerte entstehen.
Pikante Fragen an Führungskräfte
Im Verlauf des Abends stellte ich bewusst konkrete, zugespitzte Fragen:
- Soll DE&I in Unternehmen, Politik, Zivilgesellschaft und Privatleben gleich behandelt werden?
- Wer definiert die Prioritäten – jene, die von Privilegien profitieren, oder jene, die Ausgrenzung erleben?
- Wie verhindern wir, dass DE&I auf Wohltätigkeit reduziert wird – und trotzdem Verantwortung für Gerechtigkeit übernehmen?
Diese Fragen trafen besonders im Rotary-Kontext ins Mark. Denn: Reicht Mildtätigkeit aus, oder müssen Organisationen auch sich selbst verändern, um relevant zu bleiben?
DE&I auf Wirkung hin gestalten
Vor dem Hintergrund meines DE&I-Wertschöpfungsmodell entstanden neue Fragen an das klassische Rotary-Selbstbild: Dienstbereitschaft und Integrität bleiben wichtig, doch Zukunftsfähigkeit erfordert, DE&I in Führung, Prozesse und Entscheidungen einzubetten.
Rotarys eigener Wandel
Gerade weil Rotary sich inzwischen klar zu DE&I bekennt, war das Setting so besonders. Eine Organisation, die lange für Exklusivität stand, diskutiert heute über inklusive Werte und kulturellen Wandel. Meine Rolle war nicht, von außen zu belehren, sondern den Dialog über Widersprüche, blinde Flecken und Chancen anzuregen. Ein Treffen, an dem Rotarys Prinzipien von Freundschaft, Dienst und Leadership mit dem modernen Ansatz der Inklusion verschmolzen.
Tradition, Mut und Zukunft
Der Vortrag hat gezeigt: DE&I-Debatten können an unerwarteten Orten stattfinden. Für Rotary bedeutet Vielfalt mehr als neue Formulierungen – es geht darum, Relevanz und Dienst am Gemeinwohl im 21. Jahrhundert neu zu definieren. Für mich war es ein Privileg, vor einem so traditionsreichen Publikum sprechen zu dürfen – und mitzuerleben, wie Mut zu schwierigen Fragen den Weg für Fortschritt ebnen kann.