Das EU Diversity Forum 2019 blickte in die Zukunft

Die EU richtete im Mai 2019 das jährliche Diversity Forum aus. Führende Stimmen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten die Zukunft von D&I.

Ein Jahrzehnt Charta-Plattform – ein Meilenstein für die EU

2019 wurde die Plattform der europäischen Diversity-Chartas zehn Jahre alt. Da ich selbst die erste Jahre als Projektleiter begleitet hatte, war es mir eine besondere Freude, das zentrale Forum der EU-Komission zu moderieren. Im Hotel Le Plaza in Brüssel kamen VertreterInnen aus allen gesellschaftlichen Bereichen unter der Überschrift „Vereint in Vielfalt – eine gemeinsame Herausforderung“ zusammen. Ziel war es, die Erfolge der ersten Dekade zu bilanzieren – und vor allem den Blick nach vorne zu richten.

Als Moderator bestand meine Rolle darin, Raum für offene Diskussionen zu schaffen und sowohl die RednerInnen als auch das Publikum gedanklich zu fordern: Wie sieht die Zukunft von Diversity in einem polarisierten Europa aus? Und wie können Wirtschaft, Politik und Bildung Inclusion auch in Zeiten von Umbrüchen und Spannungen nachhaltig sichern?

Eröffnung: Einheit als politisches und gesellschaftliches Gebot

Die Auftaktsession machte deutlich: Einbeziehung ist kein Randthema, sondern ein Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften.

  • Tiina Astola, Generaldirektorin der GD Justiz und Verbraucher, unterstrich das anhaltende Engagement der Europäischen Kommission für Gleichstellung als verbindendes Prinzip.
  • Bart Somers, Bürgermeister von Mechelen und Träger des World Mayor Prize, zeigte, wie Städte durch konsequente Vielfaltspolitik Vorbilder werden können.
  • Cathy Van Remoortere von Actiris verknüpfte das Thema unmittelbar mit dem Arbeitsmarkt und belegte, wie Inklusion Beschäftigungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit stärkt.

Damit war der Rahmen für einen Tag gesetzt, der Politik und Praxis, Prinzipien und Pragmatismus miteinander verband.

Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft: Intersektionale Perspektiven

Das erste Panel widmete sich der Frage, was Vielfalt heute in der Praxis bedeutet und wie sie vorangebracht werden kann, ohne strukturelle Ungleichheiten aus dem Blick zu verlieren.

  • Emilia Roig, Centre for Intersectional Justice eröffnete mit einer Keynote über die Persistenz systemischer Barrieren.
  • Aminata Cairo, Anthropologin und Pädagogin, betonte die Schlüsselrolle inklusiver Bildung.
  • Kaspars Zalitis, Menschenrechtsaktivist aus Lettland, zeigte, wie neue Chartas kulturelle Veränderungen in Ländern anstoßen können, in denen Diversity-Arbeit noch am Anfang steht.
  • Deyan Kolev, Roma-Aktivist, erinnerte daran, dass Migration und Zusammenleben stets Teil der europäischen Geschichte waren.
  • Rebekah Smith von BusinessEurope machte deutlich, dass zahlreiche Studien vor allem eines belegen: Vielfalt zahlt sich aus.

Als Moderator lud ich die Runde ein, über bekannte Narrative hinauszugehen: Was müssen wir verlernen? Wo sind unsere eigenen blinden Flecken? Wie überwinden wir die grassierende Fatigue und schaffen Erneuerung? Die Antworten zeigten sowohl die Herausforderungen als auch die Widerstandskraft der europäischen D&I-Entwicklung.

Vielfalt an der Spitze: weiterhin ein steiniger Weg

Am Nachmittag diskutierte ein weiteres Panel die provokante Frage: Mehr Vielfalt an der Spitze – können wir die Herausforderung meistern?

  • Martin Theobald, Völklinger Kreis eröffnete mit einer Keynote, die auf Erfahrungen aus Deutschlands Netzwerk schwuler Führungskräfte basierte.
  • Jaleh Bradea, Chief D&I Officer bei Vivendi, verband die Verantwortung von Medienunternehmen mit internen Veränderungen.
  • Adnan Basaran, Gründer von The Inclusion Partners, sprach über Rekrutierung und Führungskräfte-Pipelines.
  • Allyson Zimmermann, Catalyst Europe, brachte globale Forschungsergebnisse zu den hartnäckigen Barrieren ein, die Frauen am Aufstieg in Spitzenpositionen hindern.

Als Moderator war es mir wichtig, dass das Panel auch unbequeme Wahrheiten ansprach: Warum bleiben Führungskulturen verschlossen, während sich Unternehmenskulturen weiterentwickeln? Sind Quoten ein nachhaltiges Instrument – oder nur eine kurzfristige Show? Und welcher Paradigmenwechsel fehlt Europas Vorstandsetagen noch? Die Debatte war lebendig, teils kontrovers, aber immer zukunftsgerichtet.

Europas Zukunft: Resilienz und Erneuerung

Bevor das Schlusswort anstand, lud ich die Teilnehmenden ein, eine zentrale Frage zu reflektieren: Was macht Diversity und Inclusion wirklich zukunftsfähig? Die Antworten reichten von stärkerer Regulierung über mutigere Führung bis hin zu innovativen Formaten der Zusammenarbeit.

Den Schlusspunkt setzte Irena Moozova, Direktorin für Gleichstellung und Unionsbürgerschaft in der Europäischen Kommission. Sie erinnerte daran, dass Vielfalt nicht nur rechtliche Verpflichtung, sondern auch moralischer Kompass für die Zukunft Europas ist. Ihre Worte unterstrichen die Essenz des Tages: „Vereint in Vielfalt“ ist kein Slogan, sondern ein Auftrag, der Vision und Handeln erfordert.

Mein persönliches Fazit

Nachdem ich zehn Jahre zuvor den Start der europäischen Charta-Plattform mitgestaltet hatte, war die Moderation des zehnjährigen EU Diversity Forums 2019 ein wirkliches Privileg – und zugleich eine Herausforderung. In Zeiten von Polarisierung, Migrationsdebatten und digitalem Umbruch zeigte das Forum, dass Vielfalt weit mehr ist als Repräsentation. Sie schafft Resilienz, Innovation und Zukunftssicherung für Europa. Die Diskussionen machten deutlich, dass wir schon weit gekommen sind – und dennoch noch viel vor uns liegt. Die Aufgabe der nächsten Jahre lautet: Überzeugung in systemischen Wandel übersetzen. Das ist die Herausforderung – und das Versprechen von „Vereint in Vielfalt“.