Neue Initiativen zur Betreuung von Angehörigen
In ihrer Sandwichposition zwischen Kindererziehung und der Pflege ihrer Eltern bei einem gleichermaßen fordernden Job hat die Ü30-Generation noch viel vor sich: die Zahl der Pflegefälle dürfte in den nächsten zehn Jahren von 2,25 Millionen auf 3 Millionen steigen. Das neue Pflegegesetz soll die Betreuung von Senioren durch berufstätige Familienangehörige regeln.
Heute können Arbeitnehmer bei akutem Pflegenotstand bis zu zehn Tage, bei längerem Pflegebedarf mit Ankündigung auch bis zu sechs Monate Urlaub erhalten; allerdings unbezahlt und nur bei Firmen mit mehr als 15 Angestellten. Ab 2011 sollen Mitarbeiter ihre Arbeitszeit wegen Pflegeaufgaben für maximal zwei Jahre auf die Hälfte reduzieren können, dabei aber 75 % ihres Gehalts beziehen. Danach müssen sie ihre Vollzeittätigkeit fortsetzen, bekommen aber weiterhin nur 75 % ihres Gehalts – bis das Zeit-/Gehaltskonto ausgeglichen ist. Sollte die Rückkehr an den Arbeitsplatz unmöglich werden, springt eine Versicherung ein. Für ihre Pflegeleistung sollen Berufstätige außerdem Rentenansprüche erwerben.
Während sich Familienministerin Kristina Schröder noch mit den Arbeitgeberverbänden um die Finanzierung des Gesetzes streitet, haben vorausschauende Chefs längst selbst flexible Lösungen für Mitarbeiter entwickelt, die sie nicht verlieren wollen. Das kleine Stahlbauunternehmen Anton Schönberger leiten heute die beiden Schwestern Andrea und Sabine Schönberger. Sie übernahmen vor Jahren den elterlichen Betrieb, als ihr Vater plötzlich arbeitsunfähig wurde. Ihren Beschäftigten bieten sie unbegrenzte Lebensarbeitszeitkonten an. Die Mitarbeiter können ihr Guthaben für familiäre Belange abbauen und ihr Zeitkonto sogar überziehen. „Dank dieser Regelungen ist die Fluktuation bei uns nahe null und der Krankenstand niedrig“, freut sich Sabine Schönberger.
Auch der Ergo-Versicherungsgruppe liegt die Zufriedenheit der Mitarbeiter am Herzen. Sie können sich seit geraumer Zeit zur Pflege eines Angehörigen freistellen lassen – ohne negative finanzielle Konsequenzen. Denn das weiterlaufende Teilzeitgehalt lässt sich nach der Auszeit nacharbeiten. Die sogenannte Familienphase gliedert sich dazu in eine drei- bis zwölfmonatige Freistellungs- und eine entsprechend lange Arbeitsperiode.
Erprobt ist auch das Familienteilzeitmodell von B. Braun in Melsungen. Seit 2007 stockt Firmenpatriarch Ludwig Georg Braun für diejenigen seiner knapp 40.000 Mitarbeiter, die für die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger ihre berufliche Tätigkeit auf die Hälfte reduzieren, das Gehalt freiwillig auf. In der Regel für bis zu drei Jahre um 15 Prozent, in langwierigen Fällen verlängert der Chef den Zuschuss aber auch auf bis zu fünf Jahre.