Türkische Schüler wollen Bildung
Entgegen der aktuell in den Medien propagierten Meinung, ein Migrationshintergrund bedinge geringen schulischen Erfolg zeigt eine aktuelle Studie, dass türkische GrundschülerInnen bei vergleichbarem sozialen Hintergrund und gleichen Leistungen häufiger auf höhere Schularten wechseln als ihre deutschstämmigen AltersgenossInnen. Der hohe bestehende Anteil von Haupt- und Sonderschülerinnen und –schülern mit Migrationshintergrund rückt damit in ein neues Licht. Die Doktorarbeit des Soziologen Jörg Dollmann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) untersuchte die Bildungssituation und –motivation türkischstämmiger SchülerInnen. Sein besonderes Interesse galt der Frage, ob die im Durchschnitt schlechtere Bildungssituation durch einen geringen Bildungsanspruch die bestehenden Nachteile noch verschlechtert oder durch höhere Bildungsmotivation reduziert.
Ein wichtiges Ergebnis der Analysen zeigt, dass vor allem die Hauptschulen bei entsprechenden Schulleistungen von türkischstämmigen Schülerinnen und Schülern nach Möglichkeit gemieden wird. So ist die Chance eines Wechsels auf die Realschule anstelle der Hauptschule für TürkInnen dreimal höher als für vergleichbar qualifizierte GrundschulabgängerInnen ohne Migrationshintergrund. Der Vergleich zwischen Realschule und Gymnasium weist eine ähnliche, wenn auch statistisch nicht so signifikante Tendenz auf. Mit dem vergleichsweise höheren Anspruch wirken die betrachteten SchülerInnen mit Migrationshintergrund bestehenden Defiziten entgegen. Das insgesamt dennoch schlechtere Abschneiden der türkischen Kinder liegt nach Ansicht des Soziologen an der ungünstigeren sozialen Situation der Kinder. Gemeint ist das Bildungsniveau der Eltern sowie der sozioökonomische Status der Familien und der teilweise daraus resultierenden nachteiligeren Kompetenzentwicklung in den ersten Schuljahren. Belege für Diskriminierung fand er indes nicht.
Umso mehr verdeutlichen die Ergebnisse die Notwendigkeit einer adäquaten Anpassung der Integrationsbemühungen sowie weiterer Fördermaßnahmen, um die Negativspirale in der nunmehr dritten Generation endgültig aufzubrechen. Dies hat auch die Universität Duisburg-Essen erkannt. Sie fördert mit dem neuen Programm „Chance2“ für einen Zeitraum von sieben Jahren und mit einem Etat von 2,3 Mio. Euro gezielt begabte Jugendliche mit Migrationshintergrund aus Nicht-Akademikerfamilien von der 9. und 10. Klasse bis zum Bachelorabschluss.
Weitere Informationen: hier
Alter Ethnie; Herkunft; Migration; Kultur Gender Sprache Deutsch