„Wenig Innovatives“ auf Werbeveranstaltung für Frauen-Quote
Auf Einladung des Bundesarbeitsministeriums trafen sich rund 250 TeilnehmerInnen Ende Juni in Köln, um Instrumente und Ansätze im Bereich Gender Diversity kennen zu lernen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hatte es sich nicht nehmen lassen, auf dem Forum „Frauen in Führung“ erneut persönlich für eine feste Frauenquote von 30% in Führungsgremien der deutschen Wirtschaft bis 2018 einzutreten. Mit Ihrer Forderung bleibt sie weiter auf Gegenkurs zu ihrer Kabinettskollegin und Parteifreundin Bundesfamilienministerin Schröder. Diese strebt die Umsetzung einer – realistischeren und besser vertretbaren – Flexi-Quote an, eine gesetzliche Pflicht zur Verbesserung der jeweiligen Situation. Frau von der Leyen ließ ihre Forderungen durch eine erneute Analyse der Instituts für Unternehmensführung (IBU) der Universität Karlsruhe untermauern, wonach sich der Frauenanteil in den Vorständen großer Konzerne in den vergangenen 8 Jahren lediglich um 0,4 Prozentpunkte auf insgesamt 2,4% erhöht habe. „Diese simplistische Verurteilung bisheriger Anstrengungen ist ebenso medial wirkungsvoll wie sie fachlich unangemessen ist“, kommentierte Diversity-Experte Michael Stuber die erneute Schelte der Ministerin. Zudem sei es erstaunlich, dass von der Leyen sich als Arbeitsministerin für zuständig erkläre, während sie noch in der letzten Legislaturperiode die Zuständigkeit im Familienministerium gesehen hatte. Ein Ressortstreit, der dem Thema offensichtlich nur schaden kann.
Auf der Kölner Veranstaltung stellten VertreterInnen von Microsoft, Fujitsu, Q-Cells und Phoenix Contact ihre Gender-Diversity Maßnahmen, Erfolge und Herausforderungen als „Good Practices“ vor. Brigitte Hirl-Höfer, Senior Director HR bei Microsoft Deutschland legte besonderes Augenmerk auf den Frauenanteil in Talentprogrammen und dem vorausgehenden Rekrutierungprozess. Auf dem Weg an die Spitze werden Microsoftmitarbeiterinnen durch Mentoring und spezielle Trainingsangebote begleitet. Der Ansatz scheint dem Softwareunternehmen Recht zu geben, denn unter den High Potentials zeigt sich ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Als „familienfreundlicher“ Arbeitgeber bietet das Unternehmen Vertrauensarbeitszeit gepaart mit Möglichkeiten für Teilzeit und Homeoffice an. Herausforderungen sieht Microsoft unterdes im Verhältnis von Nachwuchstalenten und Managerpositionen in den kaufmännischen und technischen Bereichen. So steht im Marketing ein hoher Anteil von Nachwuchsfrauen einer limitierten Zahl an Managerpositionen gegenüber, während im technischen Großkundenbereich das Verhältnis genau ungekehrt ist. „Diese Diskrepanz zeigt, dass viele Unternehmen entscheidende Knackpunkte noch nicht gelöst hat“, kommentiert Stuber die Daten, die in vielen großen Firmen ähnlich aussehen und zeigen, dass die bisherige Situation weder einfach erklärbar ist noch rasch verändert werden kann.
Das in Sachsen ansässige Photovoltaik-Unternehmen Q-Cells verfügt über einen Frauenanteil von 30%, was zum Teil durch den Standort begünstigt wird. In Sachsen wird jedes dritte Unternehmen von einer Frau geleitet. Finanzvorstand Marion Helmes sieht daneben die besonders gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch flexible Arbeitszeitmodelle und Angebote für berufstätige Mütter (und Väter) sowie ein ausgereiftes Gesundheitsmanagement als Ursachen für den überdurchschnittlichen Frauenanteil.
Fujitsu verzeichnet trotz klassischem MINT-Terrain einen Frauenanteil von 21,3%. Um viele BewerberInnen anzulocken kommuniziert das Unternehmen aktiv seine Attraktivität als Arbeitgeber, durch Auszeichnungen als „Great Place to Work“ und „Top Arbeitgeber des Jahres“. Daneben setzt Senior Director HR, Axel Tripkewitz, in Sachen Frauenförderung darauf, weibliche Nachwuchskräfte durch Girls Day, Kooperationen mit Schulen und Universitäten sowie dem Mitarbeiter-Familientag schon früh auf Karrieren in seinem Unternehmen neugierig zu machen.
Der Geschäftsführer der Phoenix Contact, Prof. Dr. Gunther Olesch, geht hier noch einen Schritt weiter. Das Familienunternehmen mit weltweit 11.000 Mitarbeitern ist Marktführer von Komponenten, Systemen und Lösungen im Bereich der Elektrotechnik. Sie entwickelten eine Spielekonsole für Kindergärten, um bereits die Kleinsten an den Arbeitsbereich Technik heranzuführen. Prägung und ein Rollenverständnis findet bereits im frühkindlichen Alter statt, weiß Olesch, daher hat er in Kooperation mit den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie Pixi-Hefte mit den Titeln „Meine Freundin ist Ingenieurin“ und „Energie und Strom“ erstellt.
Die Praxisbeispiele zeigen in der Gesamtbetrachtung „wenig Innovatives“ wie aus versierten Teilnehmerkreisen zu hören war. Allerdings, und das ist die gute Nachricht, verdeutlichen sie die Verstetigung und Verbreitung des Themas Gender-Diversity weit jenseits der hartnäckigen Wahrnehmung als Mode. Erfolgsfaktoren für Gender-Strategien lassen sich indes nicht an einzelnen Maßnahmen festmachen. Vielmehr kommt es „auf die unternehmensspezifische Kombination“ von Ansätzen und Maßnahmen an, wie Stuber angesichts verbreiteter Blaupausen anmerkt.