Wie sich Diversity ändern muss (oder müsste?)

Man erfährt es häufig hinter vorgehaltener Hand: Diversity Management steht vielerorts auf wackligen Beinen, oft unter Beschuss und wird nicht selten abgewertet, untergeordnet oder abgeschafft. Dass hierfür gängige D&I Praktiken mitverantwortlich sind, stellt ein 4-seitiger Artikel im aktuellen manager magazin dar.

Was die Redakteurin des manager magazin, Eva Buchhorn, zusammengetragen hat, dürften manche D&I PraktikerInnen nicht gerne hören. Umso wohltuender wirkt der häufig süffisante Tonfall, der einige Botschaften pointierter und gleichzeitig erträglicher macht. Im Kern stellt der Artikel die aufwändigen, öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen vieler Diversity Initiativen den weitgehend unveränderten Realitäten in den Tiefen und Breiten vieler Organisationen gegenüber. Während auf speziellen Themenkonferenzen – gleichsam in der Echokammer – Klarheit und Einigkeit propagiert wird, wirken anderswo die ungeschriebenen Gesetze und Männerbünde ungehindert weiter. Einige Widerstände sind durch allzu großen Druck und ungeschickte Kommunikation sogar größer geworden.

Beispiel Quotenfalle

Unschöne, aber durchaus erwartbare Reaktionen beschreibt der Artikel zum Beispiel mit Blick auf Zielwerte für Vielfalt – häufig Frauenquoten genannt. 44 Prozent der Männer fürchten demnach um ihre Karrierechancen und 54 Prozent finden zu viele Gender-Diversity Maßnahmen Männern gegenüber ungerecht. Hier werden nicht nur Kommunikationsfehler deutlich, sondern auch ein Kernphänomen weitverbreiteter Diversity-Programme: „die Männer – die wichtigste Zielgruppen – werden (…) vernachlässigt“, so Buchhorns Artikel und illustriert dieses Zwischenfazit mit Beispielen aus dem D&I-Alltag (Netzwerke, Mentoring, Training, Events für Einzelthemen und/oder Zielgruppen). Diversity-Experte Michael Stuber kommentiert in dem Artikel die damit verbundene Routine als austauschbare Strategien und globale Standards, die zwar Aktivitäten schaffen, aber wenig Wirkung entfalten.

Lesen Sie mehr über Diversity-Müdigkeit: http://fundaciondiversidad.org/too-much-of-the-same-thing/

Beispiel Filterblase

Das manager magazin zeigt auch, dass zumindest die offizielle Firmenwelt immun gegen kritische Selbstreflexion in diesem Themenbereich ist. Beispielhaft werden im Artikel die aktuellen Hoffnungsträger für D&I Fortschritte erwähnt, die stellvertretend für ihre Echokammer die Fahne hochhalten, aber auch jene, die anscheinend kapituliert oder zumindest umgesteuert haben. Viele der erwähnten Player versorgen sich überwiegend mit Informationen von ihresgleichen und aus ihren Netzwerken. Dass diese Filterblasendynamik ein Scheitern begünstigt, wurde von anderen Analysen bereits beschrieben.

Ein Beitrag über Gruppendenken: http://www.linkedin.com/pulse/what-di-can-learn-from-creative-professionals-michael-stuber/

Beispiel Führungskultur

Des Pudels Kern zeigt der Artikel auf, indem er eine ganze Reihe von Beispielen nennt, bei denen die Umsetzung von Diversity Management in entscheidenden Alltagsmomenten verhindert wird. Manager, die in Elternzeit nicht Teilzeit arbeiten dürfen, Ältere, die herabgestuft werden oder eine diffamierende, von Führungskräften gestützte Unternehmenskultur. Buchhorn zeigt, dass Zielgruppenaktionen an dieser Stelle ebenso wenig helfen (laut Stuber sogar alte Gräben neu aufreißen) wie zahnlose Unconscious Bias Trainings. Diese können zwar wissenschaftlich fundierte und große Aha-Effekte erzeugen, erreichen jedoch nur dann die Ebene der Verhaltensänderung, wenn sie sich sauber an Führungsmodellen und am Führungsalltag orientieren.

Wie Bias Training praktisch wirken kann: https://de.diversitymine.eu/beyond-optical-illusions-turning-unconscious-bias-learning-into-practical-behavioural-change/

Die Lösung: Ganzheitlich, gemeinschaftlich und auf keinen Fall oberflächlich

Die vielversprechenden Beispiele im mm-Beitrag verstärken zwei seiner Botschaften: Die jeweils dominanten Gruppen müssen beteiligt oder gar in den Fokus rücken und die unbewussten, mono-kulturellen Mechanismen der Unternehmenskulturen müssen auf den Tisch. Dies geschieht, wenn männliche Führungskräfte mit ihren Töchtern an Veranstaltungen teilnehmen, Führungskompetenzen hinterfragt oder offene Dialogformate eingeführt werden.

Neue Zielgruppen und Formate für D&I: https://de.diversitymine.eu/how-di-leaders-should-be-di-role-models-and-work-more-with-the-mainstream-majority/

Ob die MeinungsführerInnen im Bereich D&I und die Gleichstellungspolitik diese Entwicklungen erkennen wollen ist derzeit noch ungewiss. Die unbändige Fixierung auf Quoten, die nahezu ideologisch und mitunter post-faktisch diskutiert werden, droht, eine partnerschaftliche Atmosphäre immer wieder aufs Neue zu vergiften. Andererseits: juristische Argumente gegen Quoten wie sie ein Rechtsanwalt im Manager Magazin vorbringt, sind in dieser Hinsicht kontraproduktiv.

Ein breiter Blick auf Erfolgsmessung: https://de.diversitymine.eu/wenn-fortschritt-nur-an-quoten-gemessen-wird/

 

Zum Manager Magazin Artikel (Vorschau und Bestellmöglichkeit)

http://heft.manager-magazin.de/MM/2018/2/155308973/index.html

Zum Begleitinterview mit Chief Equality Manager Tony Prophet, Salesforce

http://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/diversity-chief-equality-officer-tony-profit-sieht-sexismus-in-us-tech-industry-a-1189152.html