Wenig Selbstverständlichkeit im Umgang mit Behinderungen

Zahlreiche Rampen für RollstuhlfahrerInnen und Leitmarkierungen an Haltestellen vermitteln einen barrierefreien Eindruck vieler Arbeitsplätze und öffentlicher Orte. Aktuelle Debatten über integrative Schulen, Diskriminierungsfälle und neue Programme zur Verbesserung der Jobchancen für Menschen mit einer Behinderung zeigen indes den anhaltenden Verbesserungsbedarf. Angesichts der hohen Zahl arbeitsloser Behinderter in Sachsen plant die Staatsregierung in Zusammenarbeit von Kultus-, Sozial- und Wirtschaftsministerium ein Netzwerk, das als zentrale Anlaufstelle für die Vermittlung behinderter Arbeitssuchender dient, Fördermöglichkeiten koordiniert und die Betroffenen bei der Jobsuche unterstützt. Darüber hinaus muss in der Gesellschaft nach Ansicht von Sachsens Behindertenbeauftragtem Stephan Pöhler ein Umdenken im Bezug auf die Integration behinderter Menschen stattfinden. Wie Pöhler in einem ddp-Interview in Dresden sagte, sollte es vor allem in alltäglichen Situationen wie etwa bei einem Arztbesuch zur Selbstverständlichkeit werden, dass auch Behinderte diese Angebote ohne Probleme nutzen können.
Auch im Bereich der Schule findet der Ansatz der Einbeziehung (oder Inklusion) immer mehr Befürworter. Der Hamburger Professor Hans Wocken bekräftige im DGB-Haus in Nürnberg das Ziel, alle politischen Kräfte auf dem Weg zu einer „Schule für alle Kinder“ zusammenzubinden. Die Inklusion von Behinderten in Gesellschaft und Schule habe nichts mit Human-Duselei zu tun. Viele Schul-Experten sehen eine pädagogische und gesellschaftliche Verpflichtung darin, alle Schultypen so gut zu machen, dass sie nahezu Jeden ausbilden können. Die meist starre Trennung in Regel- und Sonderschulen erfolgt angeblich zur Schaffung möglichst homogener Leistungsniveaus. Damit bildet Deutschland jedoch das Schlusslicht im europäischen Vergleich. Gerade Diversity-Praktiker kennen bereits den positiven Effekt eines fähigkeitsorientierten Ansatzes. „Beschäftigte mit einer Behinderung bringen oft unerwartete Stärken an den Arbeitsplatz“, berichtet der Potenzial-Experte Michael Stuber, „für viele ist es jedoch unangenehm, sich auf die ungewohnte Situation einzulassen“. Gezielte Informationen und testweise Kooperationen erleichterten den Einstieg in die Selbstverständlichkeit.