Vielfalt: Was gut für Marke und Geschäft ist, ist manch anderen ein Dorn im Auge

„Das traditionelle Vater-Mutter-Kind-Modell hält in Deutschland weiterhin das „Familien-Monopol“ und das ist konservativen Politikern und Kirchen recht. Die Wirtschaft orientiert sich derweil an gesellschaftlichen Realitäten, wie zum Beispiel die Telekom, die bunte Familien umwirbt und bewirbt.

Für alle, die Familie sind“ – unter diesem Motto startete am 30. Januar 2017 eine Werbekampagne der Deutschen Telekom, die die Frage wer oder was Familie ist ebenso deutlich wie zeitgemäß beantwortet. Angefangen von der klassischen Familie Heins über eine Hippie-Kommune und musizierende Bürgerfamilie bis hin zu einem lesbischen Paar mit Kind oder einer Gruppe Nudisten zeigt der Spot im Stil eines Vignettenfilms unterschiedlichste Konstellationen. Für viele dürfte diese Vielfalt bereits ein Abbild der Normalität sein. Die Telekom selbst bezeichnet ihr Werk als „rasant, witzig und mit überspitzen Klischees“. Für rechtspopulistische Politiker bildet der Spot jedoch einen Grund zur Entrüstung.

„Vielfältig“ oder „blödsinnig“?

Wie so oft fand die Diskussion um den Spot in den sogenannten sozialen Medien statt. Dort betonte die Telekom das Offensichtliche: „Die Formen des Zusammenlebens sind vielfältig“. Doch die Tatsache, dass für eine lesbische Familie die biologische Vaterschaft eines Kindes irrelevant sein mag, ist zu viel für manche Rechtspopulisten. Sie riefen zum Shitstorm auf und bezeichneten die Botschaften als „wahnsinnig blödsinnig“. Die Namen der Beteiligten werden hier bewusst nicht genannt.

Der Markt ist vielfältig

„Die deutsche Traditionsfamilie war schon vor fünfzehn Jahren die Ausnahme gewesen“, erläutert Diversity-Experte Michael Stuber und verweist auf Segmentberechnungen des Massenmarktes. Vielfalt sei für Marketer der Regelfall und gleichzeitig die Chance, effektiv zu kommunizieren. „Der Vergleich großer Kampagnen zeigt, dass Diversity-Kommunikation einen höheren ROI liefert als Massenkommunikation“. Dies sei auch plausibel, so Stuber, denn den KonsumentInnen würde nicht zugemutet, sich mit einem durchschnittlichen Einheitstypus zu identifizieren, dem sie nicht entsprächen. Stattdessen könnten sie sich als Teil der Vielfalt wiederfinden.

Genau diesen Mechanismus setzt der Telekom-Spot ein. Denn unabhängig davon, ob tatsächlich jede individuelle Facette abgedeckt und dargestellt wird: Die Vielfaltsbotschaft ist so deutlich, stark und anschlussfähig, dass es für praktisch jeden und jede möglich sein dürfte, das eigene Lebensmodell im Kontext der Bandbreite einzuordnen.

Werbung kann unfreiwillig politisch sein

Das aktuelle Beispiel der Telekom zeigt, dass die Botschaften der Marketing-Kommunikation durchaus politischen Gehalt aufweisen können. Insbesondere, wenn gesellschaftspolitische Diskussionen zu dem fraglichen Thema stattfinden – oder gerade nicht stattfinden. Stuber fasst den Familiendiskurs kurz und spitz zusammen: „Das traditionelle Vater-Mutter-Kind-Modell hält in Deutschland weiterhin das ‚Familien-Monopol‘.“ Konkret möchten die politischen Meinungsführer in der aktuellen Situation neuen Zündstoff vermeiden und scheuen daher zum Beispiel die überfällige Diskussion über die Öffnung der Ehe für Alle, die in der westlichen Welt bereits mehr als ein Trend ist. „Offensichtliche Klientelpolitik“ ist Stubers Einschätzung. Tatsächlich wurden über viele Jahre hinweg SLBT-Themen in Koalitions- oder anderen politischen Verhandlungen immer wieder zugunsten anderer Fortschritte hinten angestellt. Umso erfreulicher ist es in diesem Zusammenhang, dass die Telekom in ihrem Spot nicht nur lesbische Müttern, sondern auch vier Dragqueens zeigt.

Der Werbefilm ist aktuell hier zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=Uoq01LYVlbs

Mit Liebe zu Detail

Musikalisch untermalt wird der Spot vom Song „Meine Posse“ von den Beginnern feat. Samy Deluxe. „Heute sagen die Kids Posse – und meinen Clique. Familie ist schon lange mehr als Vater, Mutter, Kind. Das zeigen wir in der neuen Kampagne auch deswegen, weil die Family Card sich nicht nur an klassische Familien richtet“, erläutert Michael Schuld, Leiter Kommunikation und Vertriebsmarketing der Telekom Deutschland. Kunden könnten bis zu vier weitere SIM-Karten dazu buchen und den Preisvorteil an Familienmitglieder, Verwandte, Freunde, Mitbewohner oder Lebensabschnittsgefährten weiterreichen.

Presseberichten zufolge ergänzte ein Radiospot unter dem Titel „Wenn es sich nach Familie anfühlt, ist es auch Familie“ die Kampagne.