Verschenkte Potenziale: Migrantenschüler in Deutschland

Deutsche Schulen benachteiligen Kinder mit Migrationshintergrund. Diesen Eindruck erwecken zumindest die vom Allensbach Institut befragten 1.256 Eltern der Studie „Zwischen Ehrgeiz und Überforderung: Eine Studie zu Bildungsambitionen und Erziehungszielen von Eltern in Deutschland“. Besonders deutlich ausgeprägt ist diese Wahrnehmung bei den Vätern und Müttern mit türkischem Migrationshintergrund, von denen nur 28 Prozent das Gefühl haben, dass SchülerInnen aus Zuwandererfamilien die gleichen Chancen haben wie deutsche Pennäler. Deutsche Eltern glauben zu 43 Prozent an Chancengleichheit. „Angehörige einer benachteiligten Gruppe nehmen Schieflagen viel deutlicher wahr als die Mehrheit“, kommentiert Diversity-Experte Michael Stuber das auffällig unausgewogene Ergebnis. Vorurteile und internalisierte Stereotype verstärkten diesen Effekt.
Bei den Gründen für die mangelnde Chancengleichheit sind sich deutsch- und türkischstämmige Eltern weitgehend einig: mangelnde Deutschkenntnisse und unzureichende Unterstützung seitens der Eltern sind die meist genannten Erklärungen für die derzeitige Situation. Anders als der Gesamtdurchschnitt der Eltern haben viele türkischstämmige Eltern jedoch auch das Gefühl, dass Lehrer Vorurteile gegenüber SchülerInnen aus Zuwandererfamilien haben, diese zu wenig fördern und sie bei gleicher Leistung schlechter beurteilen als deutsche MitschülerInnen. „Deutsche sperren sich dagegen, diese strukturelle Diskriminierung anzuerkennen“, weiß Stuber aus vielen Beratungsgesprächen, Workshops und Veranstaltungen.
Der verbreitete Eindruck bei allen Eltern, dass das Thema Schule in vielen Zuwandererfamilien nicht so wichtig genommen wird und die Kinder deswegen weniger Chancen hätten, scheint sich in der Realität jedoch nicht zu bestätigen: 64 Prozent der türkischstämmigen Eltern helfen ihren Kindern gelegentlich bis häufig bei den Hausaufgaben. Bei den deutschen Eltern sind dies nur 56 Prozent, und das, obwohl diese Unterstützung den deutschen Eltern (55 Prozent) wesentlich leichter fällt als den türkischen (43 Prozent). Der Grund für das überdurchschnittlich hohe Engagement der türkischstämmigen Eltern liegt wahrscheinlich in dem Wunsch, dass es ihren Kindern später einmal besser gehen soll als ihnen selbst.
Trotz der mangelnden Chancengleichheit hat die Mehrheit der Befragten dennoch einen positiven Eindruck von der Integration der ausländischen SchülerInnen in den Schulklassen, wobei dieser Eindruck mit einer wachsenden Anzahl von Kindern mit Migrationshintergrund in einer Klasse abnimmt. Insgesamt wünschen sich jedoch besonders die türkischstämmigen Eltern mehr staatliche Unterstützung bei der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder (59 Prozent im Vergleich zu 40 Prozent der deutschen Eltern). Die vollständige Studie steht auf der Homepage der Vodafone Stiftung als PDF zur Verfügung.