Vermuteter Migrationshintergrund führt zu signifikanter Benachteiligung

Die Erkenntnis, dass BewerberInnen mit ausländischen Namen geringere Chancen auf dem Wohnungsmarkt haben, löste wenig Entrüstung aus. Was, wenn das Ergebnis auf die Wirtschaft übertragbar ist?

Menschen mit Migrationshintergrund haben es bei der Wohnungssuche erkennbar schwerer als deutsche Mitbewerber – das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Datenjournalisten des BR und des SPIEGEL. Am stärksten betroffen sind demnach Personen mit türkischem und arabischem Namen. „Diese Ergebnisse sollten Politik und Wirtschaft aufschrecken“, kommentiert Diversity-Experte Michael Stuber die Schieflagen, denn es spräche vieles dafür, dass ähnliche Dynamiken in den Betrieben greifen. Für die Studie hatten die ForscherInnen über mehrere Wochen hinweg automatisiert 20.728 Anfragen auf 6798 Mietwohnungsangebote in zehn deutschen Großstädten versandt und die darauf erhaltenen rund 8.000 Antworten ausgewertet. „Nahezu identische Experimente mit Bewerbungen führten zu sehr ähnlichen Ergebnissen“, so Stuber. Es sei anzunehmen, dass auch bei Entgelt- und Beförderungsprozessen MigrantInnen benachteiligt werden.

Unterschiedliche Ergebnisse nach Ethnien, Geschlecht, Vermietertypen sowie Ballungsräumen

In circa 25 Prozent der Fälle wurden BewerberInnen mit türkischem oder arabischem Namen statistisch signifikant diskriminiert. Mit anderen Worten: In jedem vierten Fall, in dem einE deutscheR BewerberIn zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen wird, werden türkische oder arabische InteressentInnen übergangen. Diese sind deutlich stärker betroffen als BewerberInnen mit polnischen (in zwölf Prozent der Fälle) oder italienischen Namen (acht Prozent). Bei BewerberInnen mit angenommen türkischer und arabischer Herkunft werden Männer öfter übergangen als Frauen: türkische Männer in 33 Prozent der Fälle (Frauen 16); arabische Männer 31 Prozent (Frauen 23). In diesem Detail unterscheiden sich die Ergebnisse von den Bewerbungstests, in denen Frauen meist stärker diskriminiert wurden als Männer. Privatanbieter diskriminieren italienische und polnische BewerberInnen signifikant stärker als professionelle Anbieter von Wohnungen.

In München haben BewerberInnen mit ausländischen Namen eine halb so große Chance auf eine positive Rückmeldung wie jene mit deutschen Namen. In Magdeburg und Leipzig ist der Chancenunterschied zwischen deutschen und ausländischen BewerberInnen am geringsten.

Sorgfältige Methodik liefert belastbare Ergebnisse

Pro Wohnung verschickten die Datenjournalisten inhaltlich vergleichbare Bewerbungen von 14 fiktiven Profilen. Dabei ließen die Namen der vorgeblichen InteressentInnen auf deren unterschiedliche Herkunft schließen – neben deutschen, türkischen und arabischen wurden polnisch und italienisch klingende Namen benutzt. Diese spiegeln die größten MigrantInnengruppen wider.

Jedes Wohnungsangebot wurde mit einem deutschen und zwei aus­länd­ischen Profilen an­geschrieben. Alle Be­werbungs­schreiben waren klar, freund­lich und in fehler­freiem Deutsch ver­fasst. Alle BewerberInnen gaben annähernd identische Voraussetzungen in Bezug auf Alter und Berufsfeld an. Zwei Extrembewerbungen testeten die positiven und negativen Extreme.

Als Diskriminierung gewertet wurden alle Fälle, in denen bei derselben Wohnung der deutsche Bewerber zur Besichtigung eingeladen wurde, die Mitbewerber mit fremdländischen Namen hingegen übergangen wurden.

Der „extreme“ Negativkandidat (Langzeitstudent, laxes formloses Anschreiben) landete im hinteren Drittel und schnitt damit ähnlich oder besser als die ausländischen männlichen Bewerber ab. Dies unterstreicht das Ergebnis der Benachteiligung von BewerberInnen mit ausländisch klingenden Namen.

Untersucht wurden die Wohnungsmärkte von München, Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt/Main, Dortmund, Nürnberg, Dresden, Leipzig und Magdeburg. Es gab auch Fälle, in welchen der ausländische Bewerber bevorzugt wurde. Diese wurden berücksichtigt und vom Ergebnis abgezogen.

 

Die Website zum Experiment:

http://www.hanna-und-ismail.de/methodik.html

Die Details zur Methode inklusive Code und Datentabellen

http://br-data.github.io/diskriminierung-mietmarkt-analyse/analyse.nb.html