Rente mit 67 macht arm

Anfang August forderte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, die Arbeitszeit bis zum 70. Lebensjahr auszuweiten. Hüther sieht darin mittelfristig die logische Antwort auf die höhere Lebenserwartung und den abnehmenden Geburtenraten. Der Sozialverband VdK hält eine solche Anhebung für utopisch und weist mit Blick auf die derzeitige Wirtschaftspraxis darauf hin, dass bereits die Einführung der Rente mit 67 das Risiko der Altersarmut in Deutschland erhöhe.
24 Prozent der 55- bis 59-Jährigen müssen aus gesundheitlichen Gründen in Frührente gehen. Wer wegen Arbeitslosigkeit nicht bis 67 arbeiten kann, muss für zwei Jahre vorzeitigen Rentenbeginn einen Abschlag von 7,2 Prozent hinnehmen. Eine Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 hätte also mitnichten eine Erhöhung der Staatseinnahmen, sondern lediglich eine aus Staatssicht marginale Verkürzung der überproportional steigenden Rentenausgaben zur Folge – „ein reines Rentenkürzungsprogramm“ nennt es die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher.
Die Zahlen aus der Wirtschaftspraxis stützen diese Behauptung, denn nur ein Fünftel der 60-Jährigen Arbeitslosen schafft den Sprung zurück in die Erwerbstätigkeit. Bei den 64-Jährigen sind es nicht einmal 10 Prozent. Derzeit beschäftigt nur jeder zweite Betrieb in Deutschland über 50-Jährige. Insgesamt ist nur jeder dritte über 60-Jährige erwerbstätig. Zudem sind die Chancen auf eine Erwerbstätigkeit im Alter – vor allem ab dem 60. Lebensjahr – abhängig vom Berufsfeld, wie eine aktuelle Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE) zur Erwerbstätigkeit im Alter feststellt.
Während Personen in manuellen Berufen wie Bauarbeiter oder Industriemechaniker diese überdurchschnittlich häufig nicht mehr ausüben (können), arbeiten Manager sowie Ärzte, Richter und Wirtschaftsprüfer meist bis 65. Wer als Rentner noch erwerbstätig ist, geht hauptsächlich einfachen Dienstleistungstätigkeiten für einen Zuverdienst nach, beispielsweise im Wachschutz oder in der Gebäudereinigung.
Vorschläge, aus der Not eine Tugend zu machen und Berufsfeldwechsel in der späten Erwerbsphase zu fördern, führen kaum zum Ziel, meint der Arbeitsmarktforscher Dr. Martin Brussig. So dürfte nahezu ausgeschlossen sein, im Alter in die Berufsklasse der Manager und erst recht der Professionsberufe einzusteigen – zwei Kategorien mit hohen Chancen auf eine lange Erwerbstätigkeit. Umgekehrt kommt es einem beruflichen Abstieg gleich, wenn Menschen später in einfache Dienste gegenüber der früheren Tätigkeit einsteigen. Hierbei gehen auch Erfahrungswissen und Kompetenzen verloren. „Schon um das langjährig erworbene Qualifikationspotenzial bis zur Rente in die Arbeit einbringen zu können, sind Initiativen für eine alternsgerechte Arbeitsgestaltung notwendig“, fordert Brussig. Derartige Initiativen gäbe es, doch sie hätten bislang nicht den erforderlichen Rückhalt in den Betrieben gefunden.
Der VdK forderte indes Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen auf, die im Gesetz festgehaltene Überprüfungsklausel bei der Anhebung der Regelaltersgrenze ernst zu nehmen und objektiv prüfen zu lassen, ob die Arbeitsmarktbeteiligung Älterer die Einführung der „Rente mit 67“ rechtfertigt.