Österreich: Wirtschafts- und Markenwert von Gender Diversity erörtert

30 Prozent – dies ist laut Professorin Mazumder das zu erwartende Wachstum des österreichischen Bruttoinlandsprodukts, wenn die Chancengleichheit in der Wirtschaft voll gegeben sein wird. Um

dies in Österreich zu fördern, diskutierte die Professorin mit anderen Experten Mitte Oktober auf dem Eurobrand-Forum in Wien. Neben der Wirtschaftsprofessorin der Hochschule Luzern nahmen auch Diversity-Praktiker aus NGOs und von Siemens sowie eine junge Studentin als Repräsentantin der „Generation-Y“ teil.

Die Diskussionsteilnehmer aus Forschung und Praxis setzten sich für eine verstärkte Einbeziehung weiblicher Potentiale vor allem in Führungsebenen ein und lehnten in der Summe eine Quote ab. Die Vorteile eines gendergemischten Vorstandes sind demnach so offensichtlich, dass Unternehmen von sich aus starke Anreize zur Förderung der Chancengleichheit sehen sollten. Zudem stehen auch in Österreich ausreichend qualifizierte weibliche Nachwuchskräfte bereit: mehr als die Hälfte der Hochschulabsolventen ist weiblich und die Frauenerwerbsquote steigt seit langem kontinuierlich. Tatsache ist aber auch, dass lediglich 12 Prozent der österreichischen Aufsichtsratsposten von Frauen besetzt sind, ein Wert der immer noch unter dem ohnehin schon niedrigen europäischen Durchschnitt (17%) liegt. Diese Lücke zwischen vorhandenem und ausgeschöpftem Potential ist laut Prof. Mazumder „ökonomischer Schwachsinn“.

Was die Akzeptanz von Diversity in der Bevölkerung angeht gibt es in Österreich noch viel Verbesserungspotenzial. Der in diesem Jahr veröffentlichte Bertelsmann-Monitor zum gesellschaftlichen Zusammenhalt attestiert der Republik eine abnehmende Akzeptanz von Vielfalt und sortiert Österreich im unteren Mittelfeld der OECD- und EU-Staaten ein. Um die Toleranz gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten steht es also nicht gut. Diversity-Experten führen dies auch auf die starke Rolle der Religion zurück, die wie in vielen anderen Staaten als ein trennendes Element wirkt und „stark normative sowie latent diversitäts-ablehnende Momente“ mit sich bring, wie Diversity-Experte Michael Stuber es formuliert.

NGOs bemühen sich derweil darum, auch die Potenziale von MigrantInnen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Auch das Streben nach Individualität, z. B. in den Lebensformen, hat in Österreich über die letzten Jahrzehnte hinweg an Bedeutung gewonnen. So wächst die Zahl der alleinerziehenden Eltern oder die der Atheisten stetig. Und auch Österreich ist von drohendem Fachkräftemangel infolge des demographischen Wandels betroffen, wenn auch weniger stark als Deutschland. All dies sollte für eine aktive Berücksichtigung gesellschaftlicher Vielfalt zum betrieblichen und gesamtwirtschaftlichen Wohl führen.

Experten sind sich sicher: Österreichische Arbeitgeber müssen noch einiges an Arbeit leisten, um von einer offenen und vielfältigen Belegschaft profitieren zu können. Auch der österreichische Staat ist in der Pflicht, das große Themenfeld Diversity an einer Stelle zu bündeln und durch gesetzgeberische Initiativen Rahmenbedingungen sowie Förderprogrammen und Kampagnen für die Nutzung aller Potentiale zu werben. Eine moderne Integrations- und Einwanderungspolitik, die völlige Gleichberechtigung homosexueller Partnerschaften oder auch die gesetzliche Verankerung ausdifferenzierter Arbeitszeitmodelle sollte im 21. Jahrhundert westlicher Standard sein. Noch sind die Diversity-Themen über verschiedene staatliche Stellen verteilt, aber einige Ministerien und Sozialpartner haben immerhin bereits angekündigt, dass sie ihre Programme für mehr Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt forcieren wollen.