Innovatives Gendermanagement in Kommunen – ähnlich wie in der Wirtschaft?

Der zweite „Gender Award – Kommune mit Zukunft“ würdigt vorbildliche Gleichstellungsarbeit auf kommunaler Ebene und zeigt den Gestaltungsspielraum jenseits gesetzlicher Regelungen. Manche Aspekte scheinen dem Vorbild der Wirtschaft zu folgen – oder sind es parallele Entwicklungen?

Zielsetzung: Innovatives Handeln identifizieren und honorieren

Ausgelobt wird der Gender Award seit 2016 zweijährlich von der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen Sie vertritt und unterstützt fast 1.900 kommunale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte in ganz Deutschland. „Aus einem solch breiten Feld von Aktivitäten, Programmen und Strategien die preiswürdigsten zu identifizieren erfordert stichhaltige Kriterien“, kommentiert Diversity-Experte Michael Stuber, der an der Entwicklung mehrerer Diversity-Preise mitgewirkt hat. In diesem Jahr berücksichtigte der Preis besonders das Themenfeld „Gesundheit“. Die Kernkriterien werteten aus, ob

  • die Kommunen ihr Handeln (gewissermaßen ihr Kerngeschäft) an gleichstellungpolitischen Fragestellungen ausrichten,
  • die Verwaltung besondere öffentlichkeitswirksame Strategien entwickelt hat und
  • Gleichstellungsarbeit dauerhafter Bestandteil kommunalen Handelns geworden ist (Verankerung/Mainstreaming).

Die Preisträgerinnen im Kurzportrait: Region Hannover

Der Verankerungsaspekt tritt bei der Region Hannover durch fachliche und strukturelle Maßnahmen für eine einheitliche Gleichstellungsarbeit deutlich hervor. Dazu gehören regelmäßige Arbeitstreffen der Gleichstellungsbeauftragten in der Region, übergreifende Fachforen oder Runde Tische, Zertifizierung zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zu den konkret erwähnten, innovativen Maßnahmen gehören

  • Angebote zum mobilen Arbeiten
  • Förderung einer aktiven Übernahme von Sorgearbeit durch Väter
  • Möglichkeiten von Führen in Teilzeit
  • Eigene Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Außerdem wurde gelobt, dass weitere gesundheitspolitischen Maßnahmen für Angestellte und Verwaltung sowie die Einwohner geschaffen wurden und dass die Umsetzung von Gender Mainstreaming als Leitprinzip regelmäßig evaluiert wird.

Die Preisträgerinnen im Kurzportrait: Frankfurt am Main

Die Preisträgerin Frankfurt am Main zeigt einen Schwerpunkt in der externen Genderarbeit. So hat die Stadt mittels interner Gleichstellungsbüros (auch in den Eigenbetrieben und der Branddirektion) und eines externen Frauenreferats umfangreiche Ressourcen für eine wirkungsvolle Gleichstellungsarbeit bereitgestellt. Außerdem verlangt die Stadt „Genderkompetenz“ bei der Neubesetzung von Führungspositionen.

Ein Beispiel für spezifische D+I Kompetenz in der Wirtschaft: Inclusion of Diversity bei BASF

Zusätzlich gelobt wurden Beratungs-, Informations- und Qualifizierungsangebote. Zum besonders erwähnten Maßnahmenportfolio gehören zudem

  • Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Pflege
  • Regelungen zur flexiblen Arbeitszeit, mobilem Arbeiten, Führen in Teilzeit, Teilzeitausbildung
  • umfassende Informations- und Austauschmöglichkeiten

Das (externe) Frauenreferat hat mit seiner Beteiligung an der bundesweiten Kampagne „Frauen Macht Kommune“ und mit eigenen Kampagnen wie „Armut ist eine Frau“ oder „Respekt stoppt Sexismus“ aktuelle Themen eindrucksvoll aufgegriffen und andere Kommunen inspiriert.

Artikel über die Anti-Sexismus Kampagne der Stadt Frankfurt am Main

Die Preisträgerinnen im Kurzportrait: Landeshauptstadt Düsseldorf

Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat mit ihrem Aktionsplan zur Europäischen Gleichstellung von Frauen und Männern auf der fachlichen Ebene Schwerpunkte gesetzt (u.a. zum Thema Gender und Sport). Jährliche Zielvereinbarungen stellen einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess – und dauerhafte Kommunikation – innerhalb der Verwaltung zum Thema Gleichstellung sicher. Der Baustein „Chancengleichheit und Genderkompetenz“ leistet dies auf der Ebene des Führungsnachwuchses.

Rechtlich geregelte Gleichstellung vs. privat getriebenes Diversity Management?

Die erwähnten Maßnahmen der Preisträgerinnen werfen ein neues Licht auf die jahrzehntealte Frage, wie unterschiedlich fokussiert Gleichstellungsarbeit oder Chancengleichheitsarbeit im Vergleich zu einem (breiten) Diversity-Management (inklusive Gender) sein muss oder aber wie ähnlich oder symbiotisch sie sich sein dürfen oder sollten.

  • Der bei den Preisträgerinnen umfassend bearbeitete Bereich Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – inklusive diverser Flexibilitätsinstrumente – zählt seit langem zu den starken Bindegliedern der Handlungsfelder Gender und Diversity Management. In beiden spielen Vereinbarkeitsthemen echte Schlüsselrollen. Die dauerhafte Umsetzung entsprechender Instrumente wird inzwischen meist als Aufgabe der operativen Personalarbeit angesehen, während die Gestaltung einer Vereinbarungskultur weiterhin Kernanliegen von Gender- und Diversity-Strategien darstellt.
  • Die Verankerung von Gender- (bzw. Diversity-) Kompetenz in der Personalentwicklung und bei der Beförderung gilt weiterhin als ebenso innovativ wie erfolgskritisch. Nur wenn derzeitige und künftige Führungskräfte die Relevanz und Dynamiken von Gender bzw. Diversity erfahren, verstehen und für ihre Karriere sogar nachweisen und verzielen müssen kann sich Bewusstsein für Unterschiedlichkeit und einbeziehendes Handeln in der Kultur einer Organisation verankern.
  • Das externe Wirken im Rahmen des Auftrages der Organisation bildet sowohl für Gleichstellung (im öffentlichen Bereich) wie für Diversity (in der Privatwirtschaft) die Königsklasse. Nur wenige Behörden oder Konzerne integrieren relevante Werte oder Botschaften in ihre Auftritte (Marketing, Werbung) oder ihr Handeln (Produkte, Kundenkontakt). Gender oder Diversity finden sich meist in eng definierten Ansätzen (Mehrsprachigkeit, Behinderung, Alter) und sind dabei meist nahe oder jenseits der Stereotypisierung oder Klischeebildung (Sexismus in der Werbung, überteuerte Frauenprodukte).

Zum Stand der Sexismusdebatte: http://de.diversitymine.eu/sexismus-ausgerottet-harmlos-oder-ein-fall-fuer-die-gerichte/

Und speziell zu Sexismus in der Werbung: http://de.diversitymine.eu/diversity-in-marketing-a-gift-or-a-stereotype-trap/

Aus Expertensicht zeigen die Ansätze der Preisträgerinnen, dass sich die Felder Gleichstellung und Diversity Management über die Jahre weiter angenähert haben. „Die europaweite Diskussion zu Genderquoten hat zu einer Ausweitung des Gender-Schwerpunktes in Diversity-Strategien – bis hin zu einer ausschließlichen Fokussierung – geführt“, weiß Stuber aus seinen Studien. Umgekehrt habe der öffentliche Bereich zahlreiche Ansätze aus dem Diversity-Portfolio der Privatwirtschaft für seine Zwecke und Bedürfnisse angepasst. „In naher Zukunft werden wir eine noch größere Durchlässigkeit zwischen den Bereichen sehen – und damit mehr Austausch und mehr Synergien“, so Stuber.

 

Link zur Preisverleihung

http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/gender-award-zeichnet-kommunen-mit-vorbildlicher-gleichstellungsarbeit-aus/123762

Zur Ausschreibung

http://www.frauenbeauftragte.org/2-gender-award-kommune-mit-zukunft-ausschreibung