Frauenanteil in öffentlicher Verwaltung wächst nur „unterirdisch“

Folgt man der rigorosen Kritik von Bundesarbeitsministerin von der Leyen am „unterirdischen“ Fortschritt beim Frauenanteil im Management der Großkonzerne, so müsste die Bundesverwaltung in dieser Disziplin weitaus besser abschneiden. Ein Blick in den aktuellen Gleichstellungsbericht – nach zehn Jahren Bundesgleichstellungsgesetz – zeigt, dass der Bund als Arbeitgeber trotz enger Regularien keine größeren Fortschritte aufzuweisen hat.

Der Gleichstellungsbericht stellt seinem eigenen Management, der Bundesregierung, kein gutes Zeugnis aus: „Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Leitungsfunktionen ist im Bundesdienst nicht erreicht,“ heißt es dort im Fazit. Die Suche nach und Entwicklung von Frauen in Führungspositionen gestaltet sich auch für den Bund schwierig, wie der Bericht eindrucksvoll belegt. Zwar gibt es aktuell so viele verbeamtete Staatssekretärinnen wie nie zuvor, doch in den operativen Führungsetagen fehlen dem Bericht zufolge aktive Steuerungsmaßnahmen wie Mentoring-Programme, Qualifizierungsmaßnahmen oder die gezielte Ansprache von weiblichen Kandidaten. Instrumente, welche die Wirtschaft längst etabliert hat und dennoch Schelte einstecken muss.

Der Frauenanteil in Leitungsfunktionen im Bundesdienst insgesamt stieg von 19% (1999) über 24 % (2004) auf 30% (2009). Das sind 1,1 % Steigerung pro Jahr, was die Arbeitsministerin selbst als „unterirdisch“ bewertet. In den zweithöchsten Leitungsfunktionen weist der Bericht 14% aus und damit den drittniedrigsten Wert unter den EU-15 Staaten! Ebenfalls pikant fällt der Vergleich zwischen obersten Bundesbehörden (vergleichbar mit Konzernzentralen), nachgeordneten Behörden (vergleichbar Geschäftsbereichen) und dem mittelbaren Bundesdienst (vergleichbar Beteiligungs/Tochtergesellschaften) aus. Letztere weist nämlich einen deutlich höheren Frauenanteil in Leitungsfunktionen (34%) aus als die wichtigen Einrichtungen (23%). In den obersten Bundesbehörden erkennt man zudem exakt dasselbe Phänomen der nach oben abnehmenden Frauenanteile wie in der Wirtschaft: Referatsleitungen 23%, Unterabteilungsleitungen 18%, Abteilungsleitung 14% und Staatssekretäre 3%! Der Wert bei den Abteilungsleitungen liegt 2009 zudem unter den Vorjahreswerten von 16 % (2007) bzw. 17 % (2008). Der Bericht bezieht sich dabei einfach auf den Zeitraum 2004-2009 und wertet die Entwicklung seit 2004 (9%) positiv. In den nachgeordneten Bundesbehörden, in denen weniger politisches Machtkalkül bei der Besetzung von Führungspositionen mitspielt, zeigt sich eine konsistentere Langfristentwicklung.

Der Bund zeigt in seiner Ursachenforschung durchaus stereotypische Tendenzen. So wurde für den Bericht eine Erhebung unter Gleichstellungsbeauftragten durchgeführt, die einen großen Work/Life-Balance-Anteil enthält. Dabei schätzen die Gender-Managerinnen die Unterstützung in der Kinderbetreuung durch die Behörden wahrlich unterirdisch ein: 81 Prozent der Befragten gaben an, dass dieser Support fehle. Eine Zahl, die bei einer vergleichbaren Befragung in der Wirtschaft eine Zehnerpotenz geringer ausfällt (z. B. Work Life Praxis Studie WLPS). Das Haus von Frau von der Leyen geht hier – alles andere wäre Hohn – mit gutem Beispiel voran. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eröffnete im Herbst 2010 in seinen Räumlichkeiten in Berlin eine Kindertagesstätte für Unter-Dreijährige. Eine Berliner Kindertagesstätte hatte hierzu eine „Außenstelle“ im Ministerium eingerichtet.

Der Gleichstellungsbericht macht deutlich, dass sich – wie in der Wirtschaft – vor allem die derzeitigen Führungskräfte stärker für Gleichberechtigung einsetzen müssten, zum Beispiel durch konkrete Zielsetzungen und entsprechende Kommunikation als Bestandteil der Führungsaufgabe. Daher soll künftig bei der Auswahl von Führungskräften noch stärker auf „Genderkompetenz“ als Element des Qualifikationsprofils geachtet werden. Nach zehn Jahren Bundesgleichstellungsgesetz erscheinen diese Erkenntnisse erstaunlich flach, zumal der Bund von der Wirtschaft kurzfristige Wunder erwartet. Er selbst vermag indes nicht einmal die grundlegenden Elemente eines effektiven Gender Diversity Managements umzusetzen. Dies liegt freilich auch an dem hohen selbst auferlegten Regulierungsgrad, der Freiräume einschränkt. Ein Beweis dafür, dass gesetzliche Regelungen keineswegs mehr bewirken als situationsadäquate Strategien. Wenn die Politik nicht seit Jahren fortschrittliche Unternehmen als Prügelknaben stigmatisieren würde, gäbe es gemeinsam umfangreiche Möglichkeiten des voneinander und miteinander Lernens.