European Diversity Truck in Deutschland: Nur zu Besuch?

Ein müdes Lüftchen blies durch den deutschen Blätterwald, als der „European Diversity Truck“ in Litauen von geballter Intoleranz gestoppt wurde. Um die litauische Hauptstadt Vilnius wird die EU-Kampagne wohl einen Bogen machen müssen. Einstimmig verweigerte der Stadtrat der für den 25. Mai geplanten Veranstaltung die Genehmigung. In deutschen Kurzmeldungen war zu lesen, dass der mögliche Auftritt von Schwulen schlimmste Befürchtungen ausgelöst habe. Ja ja, die rückständigen Osteuropäer schon wieder. Kein Wunder, dass eine solche Nachricht aus deutscher Sicht unter „ferner liefen“ abgedruckt wird. In Deutschland ist man schließlich wesentlich toleranter. Ein Diversity-Truck auf deutschen Straßen – kein Problem, solange er seine Maut brav bezahlt und keine Nebenstrecken nimmt. In Nordrhein-Westfalen sollte er besser auch nicht vorbeikommen, schließlich wurden dort gerade erst lesbisch-schwule Referentinnen und Referenten bei einer Tagung zum Jahr der Chancengleichheit wieder ausgeladen, das Thema von der Agenda gestrichen. Bei der gerade erst vorgestellten Out-Im-Office-Studie zur Situation von homosexuellen MitarbeiterInnen ist jeder zehnte Befragte als „hoch diskriminiert“ zu bezeichnen. Diskriminierung und Intoleranz? In Deutschland? Vor unserer eigenen Haustür? „Niemals“ hört man so manchen Zeitungsleser beim Überfliegen der Nachricht aus Litauen leise vor sich hin grummeln.
Der „European Diversity Truck“ wurde von der Europäischen Kommission auf die Straße geschickt, um in ganz Europa die Themen Vielfalt und Chancengleichheit zu „promoten“. Die Reise geht durch 19 Länder, 18.000 Kilometer legt der Truck dabei im Dienste von Diversity zurück. Die mobile Informationsplattform soll die Menschen über ihr Recht auf Gleichbehandlung informieren. Aber wie ist es um die Chancengleichheit für alle in einem hochmodernen Land wie der Bundesrepublik wirklich bestellt, in dem Homosexuelle bei einer Tagung zum „Europäischen Jahr der Chancengleichheit“ unerwünscht sind und Schwule und Lesben am Arbeitsplatz Bauchschmerzen bekommen, wenn sie ein Bild von sich und ihrem/ihrer Liebsten auf den Tisch stellen wollen? Es bleibt abzuwarten, ob die Ankunft des Diversity-Trucks in Deutschland nicht auch eine Meldung in der Rubrik „Ferner liefen“ wird. Schließlich rollen auf deutschen Straßen unzählige Lastwagen, deren Ladung nie in der Bundesrepublik abgeladen wird, sondern für ganz andere Länder bestimmt sind. Deutschland ist Transit-Land Nummer Eins in Europa – und bevor die wertvolle Fracht eines Diversity Trucks auch in Deutschland wirklich ankommen soll, muss noch einiges geschehen. (swi)