Eine andere Vorstellung von D&I

Nicht Vielfalt feiern, sondern Wertschöpfung gestalten. Nicht Massnahmen umsetzen, sondern Change als Chance verstehen. Ein Abend mit neuen Impulsen für 100 Schweizer EntscheiderInnen.

Dass Diversity vor allem Vielfalt feiern möchte, das kann allzu offensichtlich und ebenso toxisch sein. Mit dieser und anderen unerwarteten Reflexionen führte Der D&I Ingenieur Michael Stuber die BesucherInnen des 5. Change als Chance Events der Zuger Wirtschaftskammer durch das Thema. Die Veranstalterinnen hatten sich ausdrücklich Impulse zum Umdenken und provokante Inputs vom europäischen D&I Pionier gewünscht, was er nach eigenen Worten gerne erfüllte.

Vielfalt im Unternehmen: Für JedeN anders und doch nicht beliebig

Für die sehr unterschiedlichen Mitgliedsfirmen der Zuger Wirtschaftskammer stellte Stuber die unterschiedlichen Kategorien von Vielfalt dar, die diese zusätzlich zu den sogenannten Kerndimensionen unter Relevanzgesichtspunkten betrachten sollten. „Man muss verstehen, welche Aspekte von Vielfalt an welcher Stelle welche Dynamik entfalten”, riet der Diversity-Papst den TeilnehmerInnen und betonte die Bedeutung firmenspezifischer Definitionen, Business Cases und Ansätze. Die D&I Wertschöpfungskette des Potenzial-Prinzips illustriert dabei die Notwendigkeit, Vielfalt nicht als Ziel oder Selbstzweck, sondern als Rohstoff zu verstehen. In Verbindung mit Offenheit – persönlich, im Team und in der Unternehmenskultur – und Einbeziehung – in Prozessen und in der Zusammenarbeit – entstehen messbare Vorteile und Verbesserungen.

Trotz Mehrwerte für Alle: D&I ist keine Selbstläufer

Den Moment wirtschaftlicher Überzeugung und persönlicher Begeisterung nutzte Stuber für eine disruptive Frage: Weshalb Menschen, Teams, Organisationen und Gesellschaften Vielfalt – angesichts der klaren Vorteile – nicht automatisch nutzten? Die Frage führte zur grundlegenden Erkenntnis, dass Unconscious Bias eine fundamentale Hürde für D&I darstellt. Viele Unternehmen, die das Thema „Bias“ mit Online-Tests und Workshops abdecken, erzielen damit jedoch nicht die gewünschten Wirkungen. Stuber erklärte dies anhand aktueller Forschungsergebnisse und zeigte, mit welchen Ansätzen und Hebeln echte und vor allem nachhaltige Veränderungen erzielt werden: Die Arbeit an individuellen Biases, müsse mit verhaltenswissenschaftlichen Nudges und umfassenden Veränderungen am Arbeitsumfeld kombiniert werden, schloss der Experte aus internationalen Forschungsergebnissen.

Weniger ist mehr: Die unerwünschten Effekte von Aktionismus

Die Notwendigkeit umfassender D&I Massnahmen führt bei Unternehmen mitunter dazu, dass sie an Netzwerken, Konferenzen und Programmen teilnehmen, Tools, Benchmarks und Zertifizierungen durchführen sowie sich Chartas und Kampagnen anschliessen. Während jede dieser Aktionen wertvoll sein kann, plädiert Stuber – unter Effizienz- und Effektivitätsgesichtspunkten – für einen analytischen Ansatz, der die Situation und Bedarfe der Organisation in den Fokus nimmt. „Wir müssen verstehen, dass Diversity & Inclusion im Kern ein Change-Programm ist.” Damit greift Stuber den Slogan auf, den er für seine Analyse zur Zukunft von D&I (Mumbai-Trilogie, 2017) geprägt hat: “We have to bring back the ‘change’ into D&I”. Menschen dazu zu bringen, Dinge anders zu tun: Das zu orchestrieren, sei eine der wesentlichen Aufgaben von D&I. Dazu empfiehlt der D&I Ingenieur die Ebenen Rahmen, Regeln, Routinen und Reflexe in der Organisation zu bearbeiten.

Unerkannte Potenziale: Für erfahrene D&I PraktikerInnen wie für Neulinge

Zusammenfassend hob Stuber die entscheidenden Elemente hervor, die die Nutzung von D&I verbessern und gleichzeitig gewünschte Positiveffekte auf Kultur, Zusammenarbeit und Teilhabe entfalten:

  • Ein umfassender, stärkenorientierter Vielfaltsansatz
  • Die Berücksichtigung impliziter Aspekte der Unternehmenskultur und individueller Haltungsfragen
  • Eine pragmatische Umsetzung in Prozessen und im täglichen Verhalten (Führung und Zusammenarbeit)
  • Der Fokus auf relevante Mehrwerte für Beteiligte und das Unternehmen

Für erfahrene D&I PraktikerInnen ergaben sich aus dem Input deutliche Optimierungsansätze. Für die anwesenden Themenneulinge entstand eine Anschlussfähigkeit des Themas jenseits politischer oder gesellschaftlicher Teilhabe- oder Zugehörigkeits-Debatten. Dies, so Stuber, seien in einem frühen Stadium wenig hilfreich, sondern entstünden als positiver Zusatzeffekt einer fundierten Umsetzung.

 

Informationen zu weiteren Referaten und zur Reihe „Change als Chance“ sind hier veröffentlicht:

https://www.zwk.ch/de/aktuell/news/detail?id=8177

 

Weiterführende Beiträge

https://de.diversitymine.eu/focus-on-impact-di-fully-revamped/

https://de.diversitymine.eu/di-must-step-out-of-its-own-comfort-zone/ (english: from the Mumbai Trilogy – includes Video-Link)

https://de.diversitymine.eu/wie-sich-diversity-aendern-muss-oder-muesste/

https://de.diversitymine.eu/analysis-10-di-pioneers-outline-the-future-of-di/ (english: what ten global D&I Pioneers have to say about the future of D&I)