CSU aufgepasst: So geht Willkommenskultur. Potenzial-Prinzip statt Sprachen-Schranke

Wäre die CSU-Führung doch bei der Bildungskonferenz 2014 in Berlin gewesen. Bei dem interaktiven Vortrag von Diversity-Papst Michael Stuber hätte sie in 90 Minuten alles Wissenswerte über die Nutzung von Vielfalt lernen können. In der Vortragsreihe 1: „Willkommen in Deutschland! Beratung, Qualifizierung, Vielfalt?“ erläuterte der Forscher und Berater, wie mit dem Potenzial-Prinzip aus Unterschieden systematisch Mehrwerte entstehen – auch in der bayerischen Gesellschaft.

Als „intelligenter und leider sehr gelungener PR-Schachzug“ bezeichnete Diversity-Experte Michael Stuber die allseits verhöhnte Idee der CSU, MigrantInnen zur Nutzung der deutschen Sprache zunächst zwingen und dann doch nur motivieren zu wollen. Die Partei aktiviere nach dem Strauß‘schen Ideal das von der AfD bedrohte rechte Potenzial während sie ihre Stammwähler nicht vergraule. „Der Schaden für die mühsam entstehende Willkommenskultur ist immens“, beklagt der Pionier, der schon Ministerien und die EU-Kommission zu Vielfalt beraten hat und in zahlreichen Beiträgen deutlich machte, welche Elemente zur Entstehung, Förderung und Festigung einer Gesellschaft nötig sind, die Unterschiede wertschätzt, gestaltet und damit nutzt.

Die Bildungskonferenz 2014, deren Zielgruppe die riesige Anzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie deren Kammern und Verbände ist, fokussierte mit einer Vortragsreihe auf die wirtschaftlichen Potenziale von Vielfalt. Nach einer Einführung vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung zur wachsenden kulturellen Vielfalt und zum hohen Bildungsniveau von Migranten folgte ein vollständig interaktiver Vortrag zu Diversity Management.

Das Publikum trug zunächst Erfolgsfaktoren für KMUs zusammen, für die später gezeigt wurde, welche Beiträge Diversity zu diesen leisten kann. Die Notwendigkeit für Diversity leitete Referent Stuber aus grundlegenden Veränderungen in der Wirtschaft her. Kernelement des Vortrages bildet das Potenzial-Prinzip, ein anschauliches und wissenschaftlich fundiertes Modell, das die Entstehung von Mehrwerten durch die effektive Gestaltung von Vielfalt beschreibt. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hätte an dieser Stelle wörtlich mitschreiben müssen: Offenheit, Empathie, Aufgeschlossenheit und dergleichen sind als Grundvoraussetzungen für die Nutzung von Unterschieden unabdingbar. Verschobene Maßstäbe und gleichsam verschrobene Normierungen bewirken das Gegenteil: Ein Gefühl der Unerwünschtheit und der konstruierten Abwertung. „Einbeziehung“ lautet das nächste Element der magischen Formel, das schließlich zu den erwünschten und benötigen Mehrwerten führt. „Erzwungene Assimilation, z. B. mit einer Sprachenschranke, ist der größte Fehler, den Integrationspolitik machen kann“, fasst Stuber zusammen. Dieser Fehler sei mit der fahrlässig angezettelten Diskussion bereits entstanden. Stuber wundert es nicht, dass nur eine Woche später ein Brandanschlag auf ein Asylantenheim ausgeübt wurde.

Will Deutschland nachhaltig im internationalen Wettbewerb bestehen, so genügt es nicht, auf technologische Überlegenheit zu setzen. „Unsere Einheitsliebe, Harmoniesucht, Traditionalität und auch unsere Erfolgsverwöhntheit machen es den Deutschen schwer, sich anderen Kulturen und neuen Ansätzen zu öffnen“, erklärt Stuber, „aber genau das muss Deutschland lernen!“. Deutsche Migranten sind in aller Welt willkommen und bringen ihre Sprache und andere Aspekte ihrer Kultur mit in ihre neue Heimat. Deutschland sollte diesen Leitgedanken folgen und andere Sprachen und Kulturen als Bereicherung sehen. „Genug Selbstbewusstsein könnte Deutschland haben“, feixt Stuber.

Sein Vortrag benannte die vielen Verbesserungen und Vorteile, die durch die bewusste Wertschätzung und aktive Anerkennung von Vielfalt entstehen. Der aktuelle IBCR belegt höheren Markterfolg, besseres Image, mehr Produktivität, effektivere Zusammenarbeit und bessere Anpassungsfähigkeit als Effekte von Diversity Management. Wie viel sachliche Gründe braucht es noch, um auch eine CSU zu einer positiveren Haltung gegenüber anderen Kulturen und Lebensformen zu bewegen?

http://www.die-bildungskonferenz.de/vortraege-2014.html