AMERIKANISCHE VERHÄLTNISSE

Das andauernde Gezerre um Quoten – fest oder flexibel, Aufsichtsrat, Vorstand oder Management– ist Segen und Fluch für Diversity. Die öffentliche Diskussion und politische Intervention hat Jene auf den Plan gerufen, die bislang zu wenig beteiligt waren: die Vorstände. Gleichzeitig entwickelte sich die Diskussionstiefe zurück in die Diversity-Steinzeit: Der Anteil von Frauen in bestimmten Bereichen scheint das Einzige zu sein, was von Interesse ist. Damit wird die Kehrseite einer Zusammenarbeit mit dem Top-Management sichtbar – die brutale Konzentration auf ein oder zwei Aspekte „mit dem größten Hebel“.

Vollständig aus dem Blick geraten ist derweil die ganzheitliche Berücksichtigung von Frauen und Männern (!) in Kombination mit anderen, wichtigen Diversity-Facetten. Die allzu hastig aufgestellten Events und Programme fokussieren zu sehr auf Frauen – ein Bärendienst wie man seit Langem weiß. Und die strategisch ebenfalls bedeutsamen (oder bedrohlichen) Themen der Wirtschaft – wie internationaler Wettbewerb, demographischer Wandel und Wertewandel – bleiben marginalisiert. Nicht einmal die heftige Multi-Kulti-Debatte überlebte. Und selbst wenn: Die Erfahrung, dass die separate Bearbeitung von Diversity-Themen eine sehr begrenzte Reichweite (und Lebensdauer) hat. Auch die Medienberichte unserer Tage sind höchst problematisch. Wie die Vorstandsdiskussionen konzentrieren sie sich nur auf effektvolle Einzelaspekte und blenden fundierte Erkenntnisse zugunsten pointierter persönlicher Meinungen oder Erfahrungen aus. Alles dies, der rigide Repräsentationsfokus, die generische Gruppierung und die partielle Priorisierung spiegeln exakt den früheren US-amerikanischen Ansatz wider, von dem die Diversity-Experten in den letzten zehn Jahren froh waren, ihn nicht verfolgen zu müssen. Nun werden sie von einer politisch-medial- und interessengetriebenen Welle überrollt, die bedauerlicherweise die Macht hat, neue Akzente zu setzen. Als Argumentationshilfen dienen unhaltbare, weil schlicht falsche, Behauptungen: 1. Die bisherigen Programme sind gescheitert 2. Quoten sind sinnvoll zur Zielerreichung. Beides lässt sich leicht widerlegen oder zumindest relativieren. Bleibt zu hoffen, dass die hohe Aufmerksamkeit und die neue Energie für das Thema den Ausbau bisheriger Erfolge zulassen. Auf alle Fälle lehrt die aktuelle Debatte, was unsere Instrumente stets im Fokus haben: Diversity ist ein sehr persönliches und emotionales Thema. Dies muss berücksichtigt und mit objektiver Sachinformation verknüpft werden, um zu nachhaltig effektiven Lösungen zu gelangen. Dazu leisten wir immer wieder gerne einen Beitrag.